Detaildaten zu Beinträchtigungen: FFH-Arten
Kammmolch - Triturus cristatus
Natura 2000-Code: 1166; Bearbeitungstand: IIIWirkfaktorengruppe: | 4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Wirkfaktor: | 4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: | regelmäßig relevant - besondere Intensität (3) |
Auswertekategorien:
- Empfindlichkeiten/Wirkungen (7)
- Regenerationsfähigkeit (0)
- Prognosemethoden (6)
- Relevanzschwelle (3)
- Erheblichkeitsschwelle (2)
Datensatz:
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1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
1.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Die betriebsbedingte Mortalität/Tötung von Amphibien resultiert insbesondere aus Kollisionen mit Kraftfahrzeugen an Straßen, zum Teil auch mit Zügen, die i. d. R. zu direktem Tod oder aber zu schwerwiegenden Verletzungen der Individuen führen. Die Tiere werden auf ihren (saisonalen) Wanderungen von und zum Laichgewässer bzw. zwischen ihren Sommer- und Winterhabitaten oder beim Wechsel zwischen Gewässern bzw. im Rahmen der (ungerichteten) Ausbreitung überfahren. Betroffen sind sowohl adulte Tiere auf ihren alljährlichen Wanderungen als auch Jungtiere beim Abwandern aus den Geburtsgewässern (vgl. a. "Vertiefende Ausführungen" sowie Wirkfaktoren 4-2 u. 5-5).
Eine betriebsbedingte Barrierewirkung entsteht dann, wenn die Mortalität/Tötung ein hohes Maß annimmt. Barrierewirkungen führen zu Lebensraumzerschneidung und somit u. a. zur Trennung räumlich-funktionaler Beziehungen zw. Teilhabitaten, zu Verinselung, Verhinderung des Individuen-/Genaustauschs zw. Populationen bzw. einer Neubesiedlung von Gewässern.
Barrierewirkungen/Mortalität können - abhängig vom Umfang - zu Verlust von (Teil-)Habitaten, Bestandsrückgang oder zu Beeinträchtigung bzw. Erlöschen lokaler (Teil-)Populationen führen. Potenziell sind alle Lurcharten gefährdet. Besonders empfindlich sind jedoch Arten mit hoher Mobilität, verschiedenen Teilhabitaten innerhalb des Jahreslebensraums, großen Aktionsräumen sowie mit geringer Reproduktionsrate.
Die nachfolgenden Datensätze sind nach den Konfliktfeldern A: "Straßenverkehr" und B: "Schienenverkehr" sortiert.
Differenzierte Ausführungen zur Mortalität von Amphibien an Straßen/Verkehrswegen, eine Zusammenstellung verschiedener Fakten und Beispiele sowie Hinweise für die Planung finden sich z. B. bei: Fuelhaas et al. (1989), Münch (1989, 1991), Podloucky (1990), MAmS (2000), Rassmus et al. (2003), Laufer & Zurmöhle (2007).
Bibliographien: z. B. Glitzner (1999).
1.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
A: Straßenverkehr
Die in den nachfolgenden Datensätzen dargestellten Ausführungen machen beispielhaft deutlich, dass der Kammmolch (T. cristatus) einem hohen Gefährdungspotenzial durch Straßenverkehr in von ihm besiedelten Räumen unterliegt.
Entsprechend anderer Amphibienarten ist grundsätzlich auch beim Kammmolch (T. cristatus) von hohen Individuenverlusten auszugehen, wenn Laichgewässerkomplexe oder Korridore zwischen Gewässern und Jahreslebensräumen durch Verkehrswege zerschnitten werden. Plan- oder projektbedingte Querungen der artspezifischen Wanderwege zwischen Laichgewässern und Winterquartieren (z. B. in Wäldern) können daher zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Population führen. Da Kammmolche eine hohe Laichplatztreue aufweisen (vgl. Hachtel et al. 2006), ergibt sich bei Zerschneidung von traditionellen Wanderwegen zwischen Laichgewässern und Winterquartieren eine besondere Intensität der Beeinträchtigungen.
Zudem werden - wie durch bauliche Anlagen - Wanderungen zum Zweck der Neubesiedlung von Gewässern ggf. unterbunden oder stark erschwert. Zwar sind nachgewiesene Totfunde auf Straßen weniger häufig, dies dürfte jedoch u. a. auch methodenbedingt sein, da Kammmolche durch die Autos stärker zerrieben werden als z. B. Erdkröten.
Wie unter Wirkfaktor 5-3 aufgeführt, verharrt der Kammmolch (T. cristatus) nach Blab (1980) bei der Querung von Straßen i. d. R. im Scheinwerferlicht von Autos, statt zu fliehen. Ein entsprechendes Verhalten zeigt die Erdkröte (ggf. hilfsweise Heranziehung wg. Quantifizierung, s. u.).
1.03 Nerge, I. (2001)
Die Autorin schreibt in ihrer Zusammenfassung auf Basis umfangreicher Begehungen/Beobachtungen im Raum Rostock, dass der Kammmolch (T. cristatus) hier nur noch in sehr wenigen Randbereichen in großen Populationen anzutreffen sei.
"In einigen Schwerpunktbereichen schrumpften diese nach 1990 durch Bebauung [...], Zerschneidung [...] und die enorme Zunahme des Verkehrs auf Restpopulationen zusammen bzw. ist dieser Prozess eingeleitet."
"Gerade durch seine Langsamkeit bei der Wanderung ist der Kammmolch für den Straßentod prädestiniert, wenn Straßen seine Lebensräume durchqueren" (s. hierzu auch Reaktion auf Lichteinfall unter Wirkfaktor 5-3).
Für das Gebiet "Toitenwinkler Weg" im Raum Rostock belegt die Autorin aus 69 Begehungen 512 Totfunde überfahrener Kammmolche (Anteil von 9,5 % an der Gesamtzahl registrierter überfahrener Amphibien) zwischen Laichgebieten überregionaler Bedeutung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen trotz einer (wie die Autorin beklagt aber vielfach nicht eingehaltenen) durch Beschilderung verhängten Verkehrssperre zu Zeiträumen großer Wanderaktivität registriert wurden. "Ohne dieses Verkehrsverbot wäre die Zahl der Totfunde noch sehr viel höher."
1.04 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
B: Schienenverkehr
Bezüglich der Gefährdungssituation von Amphibien an Bahnanlagen wertet Roll (2004:56ff.) eine Vielzahl an Veröffentlichungen aus und kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Situation von der im Straßenverkehr grundlegend unterscheidet. Für Amphibien wurde durch einige Autoren eine massive Barrierewirkung durch Bahnanlagen vermutet, ohne dass dies durch Feldstudien belegt werden konnte. Durch einige Studien und Einzelbeobachtungen lassen sich die Auswirkungen inzwischen genauer bestimmen. Die Befürchtungen konnten nur teilweise bestätigt werden.
Die Mortalität von Kröten durch den Schienenverkehr, zumindest bei konventionellen Eisenbahntrassen, scheint gering zu sein, während für Frösche eine Beeinträchtigung durch Mortalität und somit auch Barrierewirkungen festzustellen ist. Im Hinblick auf Molche ist nicht abschließend geklärt, ob Bahntrassen tatsächlich Barrieren darstellen und wie die Mortalität einzuschätzen ist. Ggf. können auch die Gleise eine Barriere darstellen. Molche wandern auf dem Schotter an und wenn die Lücken unter den Gleis fehlen oder zu klein sind, gelangen sie in die Gleiskehle und wandern in dieser entlang. Es ist zu vermuten, dass die Mortalität unter Amphibien vor allem bei den Strecken gegeben ist, die nachts intensiv befahren werden.
Für Hochgeschwindigkeitsstrecken ist auf Grund der Fahrbahnstruktur und des vermutlich erhöhten Soges derzeit keine Aussage zur Barrierewirkung und zum Individuenverlust unter Amphibien möglich. Die nachfolgenden Quellenzitate sind alle aus Roll (2004) entnommen.
1.05 Roll, E. (2004)
"Igelmann (1994) und Wolff (1993) beschreiben Wanderungen einer Erdkrötenpopulation über eine stark befahrene Bahntrasse. Bei der Überfahrt eines Zuges ducken sich die Erdkröten und werden daher nicht vom Sog des überquerenden Zuges erfasst. Sofern sie vom Zug hochgeschleudert werden, setzen sie danach unbeeindruckt ihre Wanderung fort. Jungtiere suchen in den Schotterzwischenräumen Schutz. Es wurden während einer Wanderperiode wenige Todesfälle (fünf erfrorene Männchen im Schotterbett) festgestellt. Die beobachteten Todesfälle unter den Erdkröten wurden in Anbetracht der Gesamtzahl der erfolgreich querenden Tiere als unbedeutend eingestuft."
Meyer & Wild (1994) sprechen ohne nähere Artenangaben von einem Massaker unter Amphibien auf einer Bahnstrecke. Kuzmin (1996) berichtet, dass in den 20er Jahren der Zugverkehr auf einer Moskauer Strecke eingestellt werden musste, da die Schienen durch überfahrene Frösche zu glitschig geworden waren, was auf eine erhebliche Mortalität hinweisen dürfte.
"Baradun (1991) stellte fest, dass Grasfrösche bei Annäherung des Zuges hochspringen und damit direkt von der Sogwirkung erfasst werden, während er die Beobachtungen von Wolff bestätigt, nach der Erdkröten durch Ducken nicht vom Sog erfasst werden und Molche nicht reagieren, aber ebenfalls nicht vom Sog erfasst werden. Die unterschiedlichen Aussagen von Reh (1991, s. u.) und Wolff (1994) werden durch diese Beobachtungen hinlänglich erklärt. Cramm (mdl.) weist jedoch darauf hin, dass die Wanderung in den Schienenkehlen auch für Molche und Kröten nicht gefahrlos zu sein scheint, da hier regelmäßig Kadaver aufgefunden werden."
"Demgegenüber konnte Lenders (1996) keine Wanderbeziehungen von Molchen zwischen Laichgewässern feststellen, die von einer ebenfalls eingleisigen Bahntrasse getrennt waren, während die Wanderungen zwischen den nicht durch die Bahnstrecke getrennten Teichen recht rege war. In Cost (2001) werden Bahnanlagen als starke Barriere für Molche bewertet. Soweit feststellbar, stützt sich diese Aussage auf den Nationalen Cost-Report der Niederlande, dieser wiederum auf die Arbeit von Lenders (1996, s. o.). Der Vergleich dieser Ergebnisse mit Henle (1996) macht jedoch deutlich, dass derzeit keine endgültigen Schlüsse zur Barrierewirkung von Bahnanlagen auf Molche möglich sind. Lehmann (1989) beobachtete schienenparallele Wanderungen von Molchen auf der Suche nach Durchlässen. Die Autorin wertet die Schienen als bevorzugte Wanderstrecken und führt das auf die Deckung der Schienen und die Temperaturerhöhung im Gleis zurück.
Die Beobachtungen von Wolff machen jedoch deutlich, dass es sich vielmehr um Suchwanderungen zum nächsten Durchlass handeln dürfte. Die beschriebene Strecke war wenig befahren. Die Wanderung im Gleis dürfte vermutlich bei der Überfahrt eines Zuges in einigen Fällen tödlich enden, da regelmäßig Kadaver in der Schienenkehle gefunden werden. Für die wesentlich größeren Erdkröten konnte bei der Wanderung in der Gleiskehle keine Gefährdung festgestellt werden. Die Beobachtung von Lehmann (1989) belegt zumindest für einen Einzelfall, dass Wanderungen von Molchen über Gleisanlagen hinweg erfolgen."
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Reports: aktueller Wirkfaktor aktuelle Wirkfaktorengruppe alle Wirkfaktoren
Qualifizierung der Quellen für FFH-Arten
A | verallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art |
B | in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall |
C | in der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird |
D | in der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe |
E | eigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung) |
F | keine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt |
Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"
- | bislang noch nicht bearbeitet |
I | derzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden |
II | zudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden |
III | zudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden |