Auswahl: Wirkfaktoren


Wirkfaktorengruppe

Definition - Wirkfaktoren

3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren >> 3-5 Veränderung der Temperaturverhältnisse

Anthropogen bedingte Änderung der Temperaturverhältnisse u. a. in Gewässern (z. B. durch Einleitung anders temperierter Wässer) oder anderer für den Wärmehaushalt bestimmender Faktoren (z. B. aufgrund der Exposition oder der Belichtungs-/Beschattungsverhältnisse), wenn dies wesentlich für das Vorkommen bestimmter Lebensraumtypen oder Habitate ist.

Veränderungen der Temperaturverhältnisse in Gewässern führen regelmäßig zu Folge- und Synergieeffekten, z. B. zu verändert wirksamen Wuchsbedingungen von Organismen, die dann ursächlich für Veränderungen an lebensraumtypspezifischen Charakteristika sind. Direkt artbezogen können veränderte Temperaturverhältnisse reduzierte Nutzung, geringeren Fortpflanzungserfolg bis hin zu Habitatverlust zur Folge haben oder - bei extremeren Werten - direkt letal auf Individuen wirken.

Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren

3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren >> 3-5 Veränderung der Temperaturverhältnisse

Bezüglich der Veränderung von Temperaturverhältnissen ist zunächst zwischen Wirkungen bzw. Wirkungskomplexen mit großräumiger Relevanz - speziell Veränderungen aus globaler Sicht - und solchen mit Auswirkungen auf lokale Temperaturverhältnisse zu unterscheiden.

Der erstgenannte Fall dürfte in erster Linie bei der Beurteilung von Plänen eine Rolle spielen; inwieweit er v. a. unter summarischen Effekten auch bei Einzelprojekten konkret einbezogen werden kann, ist zum derzeitigen Stand schwer abzusehen. Zumindest Großprojekte mit Emissionen, die zu einer Klimaerwärmung beitragen könnten, wären in diesem Rahmen ggf. zu berücksichtigen. Eine umfangreiche Bibliographie zu Arbeiten, die sich v. a. mit Aspekten großräumiger klimatischer Veränderungen (Global Change) bezüglich Tier- und Pflanzenarten beschäftigen, gibt z. B. BURNS (2002).

Der zweite Fall - mit lokaler Auswirkung - kann sowohl im aquatischen wie terrestrischen Bereich eintreten.

Umfangreiche Daten bezüglich des aquatischen Bereichs liegen für die Fischfauna vor (vgl. z. B. BEITINGER et al. 2000, HOFFMANN et al. 2011). Eine Zusammenstellung von Temperaturpräferenzen und -limits von Fischarten Schweizerischer Fließgewässer aus der internationalen Literatur legten KÜTTEL et al. (2002) im Rahmen des Projektes zur Rhone-Revitalisierung vor. Hierbei wurden diese für 32 Fischarten jeweils auf die vier Lebensstadien "Eier", "Juvenile", "Adulte" und "Fortpflanzung" bezogen. Relevant sind diese Daten v. a. bei der Beurteilung einer Einleitung von Wasser mit vom Gewässer abweichender Temperatur oder bei anderen Maßnahmen, die Wassertemperaturen beeinflussen können. Hierbei sind z. B. Stauhaltungen oder die Entnahme von Wasser für eine hydroelektrische Nutzung, aber auch strukturverändernde Maßnahmen am Ufer wie die Aufforstung oder die Beseitigung von Gehölzen zu nennen. Störungen der Reproduktion bei einzelnen Arten in Fließgewässern aufgrund des Kühlsystems eines Kraftwerks wurden z. B. durch die Arbeiten von LUKSIENE & SANDSTRÖM (1994) sowie SANDSTRÖM et al. (1997) nachgewiesen. Je nach Art und Temperaturveränderung kann die Wirkung - wie auch bei anderen Gewässerorganismen - von Erhöhung, Verringerung oder Störung des Stoffwechsels über Scheucheffekte bis hin zu vorübergehenden oder dauerhaften Schäden bzw. Abtötung reichen. Das Versagen von Schwimmmuskulatur, Atmungsapparat und Herz bei Fischen "ist auf den Zusammenbruch des Nervensystems zurückzuführen, welches am sensibelsten auf hohe Temperaturen reagiert (BRETT 1956, zit. in KÜTTEL et al. 2002).

Im Rahmenkonzept Monitoring des LAWA AO Teil B "Bewertungsgrundlagen und Methodenbeschreibungen" (2007) sind Hintergrund- und Orientierungswerte für Temperatur und Delta Temperatur zu Gewässertypen und Fischgemeinschaften definiert (vgl. Tab. 2.3).

Auch bei den in Stillgewässern laichenden Amphibien spielt die Wassertemperatur während der Laichzeit und Juvenilentwicklung teilweise eine entscheidende Rolle. So können sich die Arten Kreuzkröte, Laubfrosch und Gelbbauchunke nur in Gewässern reproduzieren, die besonnt sind und bestimmte Mindesttemperaturwerte aufweisen (bezüglich der Gelbbauchunke s. hierzu die Dokumentation in der Datenbank).

Im terrestrischen Bereich sind Temperaturveränderungen bei Projekten in erster Linie aufgrund einer Beschattung von Habitaten wärmebedürftiger Arten (durch Aufforstung, Schattenwurf durch Bauwerke wie Brücken), Freistellung beschatteter Bereiche mit Vorkommen kühlpräferenter Arten (Waldschneisen im Straßenbau) oder der Bildung von Kaltluftseen durch luftabflusssperrende Bauwerke (wie Dämme) möglich. Einen Sonderfall stellt die Öffnung von Kaltluftseen sowie der Anschnitt kaltlufterzeugender Blockhalden z. B. durch einen Straßen- oder Forstwegebau dar (vgl. MOLENDA 1996): Dieser kann im ungünstigen Fall zu einer erheblichen Veränderung der Luftströmungen mit der Konsequenz einer Veränderung des Temperaturregimes und dem erheblichen Rückgang oder vollständigen Ausfall spezifischer Arten bzw. Zönosen, darunter in Mitteleuropa sehr seltenen Kaltzeitrelikten, führen. Auch in Höhlen oder Bauwerken (z. B. frostsichere Fledermaus-Winterquartiere) können günstige Temperaturverhältnisse projektbedingt ggf. verändert werden.

Die Prognose möglicher Auswirkungen muss speziell auf die Standort- bzw. Habitatansprüche der jeweiligen Lebensraumtypen, charakteristischen Arten bzw. direkt relevanten Arten nach FFH-RL u. VRL abgestellt werden. Standardmethoden liegen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vor.
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