Auswahl: Wirkfaktoren


Wirkfaktorengruppe

Definition - Wirkfaktoren

5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-1 Akustische Reize (Schall)

Akustische Signale jeglicher Art (einschl. unterschiedlicher Frequenzbereiche), die zu einer Beeinträchtigung von Tieren oder deren Habitate führen können. Derartige Reize treten einerseits betriebsbedingt und dann zumeist dauerhaft auf. Als bau- oder rückbaubedingte Ursachen treten Schallereignisse andererseits nur zeitweilig, z. T. aber in sehr hoher Intensität auf (z. B. beim Sprengen oder Rammen).

Akustisch wirksame Reize treten regelmäßig in Kombination mit anderen Wirkfaktoren (insbes. 5-2 Bewegung / Optische Reizauslöser) auf.

Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren

5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-1 Akustische Reize (Schall)

Umfangreiche Ausführungen zu akustischen Reizen bzw. Lärm als Wirkfaktor finden sich z. B. bei RECK (2001), RASSMUS et al. (2003) oder GARNIEL et al. (2007).

Lärm ist einerseits für die Arten des Anhangs I VRL und bestimmte Arten des Anhangs II FFH-RL relevant, andererseits aber auch bei der Beurteilung der Beeinträchtigung von Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-RL, da zu den dort charakteristischen Arten vielfach auch lärmempfindliche Arten (speziell Vogelarten) zu rechnen sind.

Schallimmissionen können je nach Art, Zeitpunkt, Stärke und Dauer unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Hierbei kann es sich - im Fall eines sehr hohen Schallpegels - im Extremfall um starke physiologische Schädigungen des Gehörapparates handeln. In den meisten Fällen werden durch Schallimmissionen allerdings Einzelreaktionen wie Stress oder Fluchtverhalten ausgelöst (oftmals bei einzelnen Schallereignissen, die mit unklaren oder Gefahr verkündenden Erfahrungen/Informationen verbunden sind), Wahrnehmungsfähigkeit und Kommunikation gestört (v. a. bei lang anhaltenden Schallimmissionen) oder die Lärmbelastung führt zu veränderten Aktionsmustern/Raumnutzung mit Meidung besonders stark beschallter Gebiete.

Tiere reagieren unter Berücksichtigung weiterer wesentlicher Habitatparameter auf unmittelbare Störungen entsprechend ihren artspezifischen Empfindlichkeiten. Dies gilt auch für die Wirkungen durch Schall. Folge derartiger Wirkungen kann einerseits die Vertreibung von Individuen selbst sein, andererseits aber auch die Entwertung des betreffenden Raumes als (mögliches) Habitat der jeweiligen Art, z. B. auf Grund höherer Prädationsraten bzw. Ausfall des Fortpflanzungserfolges. Dies kann in entsprechender Weise auch Lebensraumtypen als Habitate für deren charakteristische Tierarten betreffen.

Neben den Eigenschaften der Schallimmission sowie gebietsspezifischen Gegebenheiten hängt die Wirkung in sehr großem Umfang auch vom Akzeptor ab: Auf dem aktuellen Stand ist davon auszugehen, dass als empfindliche Artengruppen in erster Linie Vögel und Säugetiere, daneben vermutlich Fische zu betrachten sind. Bei einzelnen weiteren Artengruppen, insbesondere solchen mit akustischer Kommunikation wie Heuschrecken und Amphibien, liegen Einzeldaten, Hinweise oder Vermutungen auf eine mögliche Empfindlichkeit vor, ohne dass derzeit jedoch genaue Konsequenzen daraus gezogen werden können.

Bei terrestrischen wie marinen Säugetieren sind negative Lärmwirkungen belegt. Hinweise zur Bewertung von Beeinträchtigungen finden sich ggf. in den Datensätzen zu den einzelnen Arten (vgl. z. B. den Schweinswal und das zu seinem Schutz entwickelte Schallschutzkonzept des BMU 2013).

Auch bei Fischen mehren sich die Untersuchungen, die Beeinträchtigungen durch Lärm belegen, sowohl im marinen wie im limnischen Bereich (vgl. z. B. POPPER 2003, AMOSER et al. 2004, VASCONCELOS et al. 2007, WYSOCKI et al. 2007, RADFORT et al. 2014).

Besonders umfangreich sind die vorliegenden Daten zu Vögeln, die von Untersuchungen zu physiologischen Wirkungen über Fluchtreaktionen und veränderte Raumnutzungsmuster bis hin zu quantitativen Analysen der Revierdichten unter unterschiedlicher Lärmbelastung (vor allem an Straßen) ein breites Spektrum abdecken (vgl. z. B. Zusammenstellungen in GARNIEL et al. 2007). Wenngleich sich teilweise verschiedene Störwirkungen (z. B. optische Reize) mit Schall überlagern, so kann doch grundsätzlich aus diesen Daten abgeleitet werden, dass lärmbelastete Zonen für Vogelarten suboptimale bis pessimale Lebensräume darstellen, die in gewissem Umfang gemieden werden (vgl. z. B. REIJNEN et al. 1987, FOPPEN & REIJNEN 1994, KRUCKENBERG et al. 1998, HABBIB et al. 2007, BAYNE et al. 2008, BLICKLEY et al. 2012, MCLAUGHLIN & KUNC 2013, MCCLURE et al. 2013).

In Deutschland ist derzeit i. d. R. die "Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr" (BMVBS 2010) für die Bewertung der Auswirkungen von Straßenlärm auf Vögel maßgeblich.

Methodisch sind grundsätzlich Zonierungsmodelle für die Bewertung von Störwirkungen bzw. graduellen Funktionsverlusten im Rahmen der FFH-VP gut geeignet, zumindest in allen denjenigen Fällen, in denen nicht genauere artspezifische Empfindlichkeitswerte zugrunde gelegt werden können. Beispiele solcher Zonierungsmodelle für Vögel finden sich z. B. bei REIJNEN et al. (1987), RECK et al. (2001), HELLDIN et al. (2013) und solche für für sich passiv akustisch orientierende Fledermausarten z. B. bei SCHAUB et al. (2008), FÖA LANDSCHAFTSPLANUNG / BMVBS (2011) oder STECK & BRINKMANN (2013). Im konkreten Vorhaben wären durch Schallimmissionen betroffene Bereiche darzustellen und mit der Abgrenzung von Lebensräumen empfindlicher Arten zu überlagern. Die Abgrenzung sollte nach Klassen bzw. Bereichen unterschiedlicher Schallpegel / Störintensitäten vorgenommen werden. Die Ermittlung beeinträchtigter Fläche kann - soweit im Einzelfall keine genaueren Daten vorliegen - aus den angegebenen prozentualen Beeinträchtigungen pro Bereich vorgenommen und als absolute Verlustfläche für betroffene Lebensraumtypen bzw. Artenhabitate aufsummiert werden. Dieses Ergebnis ermöglicht dann ggf. den Vergleich mit den Orientierungswerten des Fachkonventionsvorschlags zur Bestimmung der Erheblichkeit (siehe dazu auch die grundsätzlichen Ausführungen in LAMBRECHT & TRAUTNER 2007, Kap. H). Zudem ergeben sich Hinweise für den Umfang von Maßnahmen zur Kohärenzsicherung.

Soweit es sich bei den Schallereignissen entweder nicht um anhaltende Ereignisse oder um solche mit wesentlich höheren Lärmspitzen als dem Mittelungspegel handelt (insbesondere solchen, die physiologische Schädigungsschwellen erreichen oder überschreiten könnten), ist eine detaillierte Beschreibung der Schallereignisse und eine Beurteilung vor dem Hintergrund spezifischer Reaktionen von Arten erforderlich. Eine pauschale Übertragung der für Dauerlärm (speziell bei Straßen) abgeleiteten Eckwerte erscheint hier nicht sachgerecht. Bei überwiegend punktuellen bzw. diskontinuierlichen Störereignissen sind ggf. eher Ansätze aus der Störungsbewertung und dem Bereich von Flucht- und Stördistanzen anzuwenden. So spielt z. B. bei Baustellen in der Regel auch die Störung durch Tätigkeit bzw. Anwesenheit des Menschen eine Rolle. Daher können diesbezüglich für die jeweils potenziell betroffenen Vogelarten entsprechende Orientierungswerte zu planungsrelevanten Flucht-/Stördistanzen herangezogen werden, wie sie z. B. von GASSNER et al. (2010:191ff.) zusammengestellt wurden (vgl. auch Wirkfaktor 5-2).

Wenngleich Schallpegel auch verursacherunabhängig beurteilt werden könnten, so empfiehlt es sich doch, für die verschiedenen Schallquellen weitgehend eigenständige Prognosemethoden zu entwickeln. Dies ergibt sich daraus, dass Art und Auftreten der akustischen Reize z. B. zwischen Straßen-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehr oder auch Windenergieanlagen differieren und sich die akustischen nie vollständig von den optischen Störwirkungen unterscheiden lassen, die jedoch zwischen den Vorhabentypen sehr unterschiedlich sind.
ihre meinung

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