Fachinformationssystem des BfN
Stand: 12. Januar 2023 |
Bemerkung: | Betrachtet wird die marine Rohstoffgewinnung insbesondere von Sand und Kies.
Bei der marinen Rohstoffgewinnung kommt es zum Abtrag oberflächennaher Schichten auf dem Meeresboden. Da im Zuge von marinen Sedimententnahmen hauptsächlich die oberflächennahen Schichten gewonnen werden, aber für den Küstenschutz und andere Baumaßnahmen sowie die Industrie große Mengen benötigt werden, sind die Rohstoffgewinnungsgebiete z. T. sehr großflächig. Eine aktuelle Übersicht über die Rohstoffgewinnung in der deutschen Nordsee und Ostsee bietet das CONTIS-Informationssystem des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Ein wesentlicher Vorhabensbestandteil ist der Bodenabtrag. Dieser erfolgt üblicherweise mithilfe von Schwimmbaggern, sogenannten Hopperbaggern oder Schleppkopf-Saugbaggern. Seltener erfolgt der Bodenabtrag stationär, hierbei werden sogenannte Stechkopf-Saugbagger eingesetzt. Bei einem flächenhaften Abbau der Sedimente entstehen beim Absaugen des Sediments ca. 2 m breite und ca. 30 cm tiefe Furchen im Meeresboden (Herrmann & Krause 2000). Die Autoren beschreiben auch eine andere Abbaumethode, bei der durch stationäre Baggerung bis zu 10 m tiefe Löcher mit einem Durchmesser von 10-50 m im Meeresboden entstehen. Bei der marinen Rohstoffgewinnung kommt es darüber hinaus betriebsbedingt zum Einsatz von Schiffen, vor allem zum Abtransport von Baggergut. Ein weiterer Vorhabensbestandteil kann u. a. auch das Verklappen von überflüssigen Sedimenten sein. Damit verbunden sind v. a. stoffliche Emissionen (organische Verbindungen, Schwebstoffe und Sedimente) und nichtstoffliche Wirkungen (optische und akustische Störwirkungen, Erschütterungen, mechanische Einwirkungen) über und unter Wasser. Nach Abbauende kann eine Wiederverfüllung erfolgen. Jedoch bedingt der Abbau in Fällen der Betroffenheit besonderer morphologischer Strukturen wie submarine Schwellen, Sandbänke, küstennahe Flachwasserbereiche oder Riffe oft irreversible strukturelle Veränderungen (Herrmann & Krause 2000). |
Wirkfaktoren | Erläuterungen | |
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1 Direkter Flächenentzug | ||
1-1 Überbauung / Versiegelung | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
2 Veränderung der Habitatstruktur / Nutzung | ||
2-1 Direkte Veränderung von Vegetations- / Biotopstrukturen | 2 |
Bei der marinen Rohstoffgewinnung kommt es durch den Abtrag benthischer Bereiche zu unmittelbaren Veränderungen der Sedimentstruktur, zur Entfernung der benthischen Besiedlung, z. B. Muschelbänke, sowie zur Veränderung von Habitatstrukturen, z. B. für Fische. Auch Wasserpflanzen und Großalgen sowie ihre Standorte können davon betroffen sein.
Die Umweltveränderungen werden hauptsächlich durch die Faktoren der Abbaumethode und -intensität, der hydrographischen Situation und der Sedimentationsdynamik beeinflusst. Insbesondere bei Kiessandlagerstätten können die Abbauspuren lange erhalten bleiben, weil die hydro- und sedimentdynamischen Prozesse sowie das Sedimentangebot keine vollständige Wiederverfüllung oder gar Regenerierung des Meeresbodens zulassen (UBA 2008). |
2-2 Verlust / Änderung charakteristischer Dynamik | 0 |
Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
Die Veränderung der charakteristischen hydrodynamischen Verhältnisse wird unter dem Wirkfaktor 3-3 behandelt. |
2-3 Intensivierung der land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Nutzung | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
2-4 Kurzzeitige Aufgabe habitatprägender Nutzung / Pflege | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
2-5 (Länger) andauernde Aufgabe habitatprägender Nutzung / Pflege | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren | ||
3-1 Veränderung des Bodens bzw. Untergrundes | 2 | Bei der marinen Rohstoffgewinnung treten durch den Meeresbodenabtrag regelmäßig Veränderungen des Untergrunds und damit der benthischen Bereiche auf. Dabei können auch Sonderstrukturen, z. B. submarine Schwellen, Sandbänke, küstennahe Flachwasserbereiche oder Riffe, beseitigt oder verändert werden. |
3-2 Veränderung der morphologischen Verhältnisse | 2 | Bei der marinen Rohstoffgewinnung treten regelmäßig Veränderungen der Meeresbodenmorphologie auf (Vertiefungen, Auffüllungen etc.) (vgl. Wirkfaktor 3-1), was indirekte Folgen für die hydrologischen und hydrodynamischen Verhältnisse haben können. |
3-3 Veränderung der hydrologischen / hydrodynamischen Verhältnisse | 1 | Marine Rohstoffgewinnung kann indirekt durch Veränderungen des Untergrundes (vgl. Wirkfaktor 3-2) zu Veränderungen der hydrologischen und hydrodynamischen Verhältnisse führen. Dadurch kann es z. B. zu Veränderungen der Wassertiefe und Tidedynamik kommen. Auch die lokalen, bodennahen Strömungen können sich durch die Rinnen und Löcher am und im Meeresboden verändern. |
3-4 Veränderung der hydrochemischen Verhältnisse (Beschaffenheit) | 1 | Beim Einsatz von Stechkopf-Saugbaggern kann es in den unterirdischen Hohlformen nach Abbau zu durch Sauerstoffmangel geprägten Zonen kommen ("Totwasserbereiche"), die nicht vom Benthos wiederbesiedelt werden. |
3-5 Veränderung der Temperaturverhältnisse | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
3-6 Veränderung anderer standort-, vor allem klimarelevanter Faktoren | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust | ||
4-1 Baubedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
4-2 Anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität | 1 | Je nach Abbauweise kann es zu Individuenverlusten durch z. B. Ansaugen (Saugbagger) kommen. Betroffen sind z. B. Fische oder Muschelbänke. |
4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität | 1 | Durch marine Rohstoffgewinnung und dadurch verursachte Trübungen kann es zum Verlust von Individuen kommen. Hohe Schwebstoffkonzentrationen können die Migration von Fischen behindern. |
5 Nichtstoffliche Einwirkungen | ||
5-1 Akustische Reize (Schall) | 1 | Die Schallemissionen von Schwimmbaggern bei der marinen Rohstoffgewinnung hängen vom eingesetzten Baggertyp ab (in deutschen Meeren üblicherweise Hopperbagger oder Schleppkopf-Saugbagger (flächige Entnahme), seltener Stechkopf-Saugbagger (stationärer Abbau)). Dabei kann es zu Schallemissionen sowohl über als auch unter Wasser kommen, die ggf. zu Scheuch- und Meidewirkungen bei Vögeln sowie bei Fischen und Meeressäugern führen können. Ebenso kann der Einsatz von Schiffen zum Abtransport von Baggergut zu erhöhten akustischen Reizen führen. |
5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht) | 1 | Der Einsatz von technischem Gerät kann zu optischen Reizen führen, die eine Beunruhigung störungsempfindlicher Arten auslösen können. |
5-3 Licht | 1 | Je nach Abbauverfahren und Zeitpunkt des Abbaus (z. B. Nachtarbeiten) kann es zumindest temporär zu Beeinträchtigungen lichtempfindlicher Tiere kommen. |
5-4 Erschütterungen / Vibrationen | 1 | Im Zuge des Abbauprozesses kann es zumindest temporär zu Erschütterungen und Vibrationen kommen, wenn schwere Maschinen bzw. entsprechende Verfahren eingesetzt werden. |
5-5 Mechanische Einwirkung (Wellenschlag, Tritt) | 1 | Im Zuge des Abbauprozesses kann es zumindest temporär zu mechanischen Einwirkungen kommen, wenn schwere Maschinen bzw. entsprechende Verfahren eingesetzt werden. |
6 Stoffliche Einwirkungen | ||
6-1 Stickstoff- u. Phosphatverbindungen / Nährstoffeintrag | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
6-2 Organische Verbindungen | 1 | Bei der marinen Rohstoffgewinnung in Sedimenten können organische Verbindungen aus dem Sediment remobilisiert werden. |
6-3 Schwermetalle | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
6-4 Sonstige durch Verbrennungs- u. Produktionsprozesse entstehende Schadstoffe | 1 | Bei der marinen Rohstoffgewinnung können ggf. sonstige Schadstoffe aus den Motoren der Bagger- oder Transportschiffe als Wirkfaktor relevant sein. |
6-5 Salz | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
6-6 Depositionen mit strukturellen Auswirkungen (Staub / Schwebst. u. Sedimente) | 2 |
Die marine Rohstoffgewinnung führt aufgrund verschiedener Vorhabensbestandteile (s. unter Bemerkung) regelmäßig zu Depositionen mit strukturellen Auswirkungen.
Dabei stellen Trübungsfahnen ein großflächiges Problem dar. Zum einen entstehen sie direkt beim Baggereinsatz durch das Aufwirbeln von Sediment, zum anderen nachdem Sand und Kies an Bord der Schiffe gespült oder gesiebt wurden. Überflüssiges feineres Sediment wird dabei zurück ins Meer entlassen, wo es von Strömungen aufgegriffen und verdriftet wird. Sinkt das Feinmaterial schließlich ab, kann es vom eigentlichen Abbauort entfernt lebende Lebensgemeinschaften beeinträchtigen, z. B. wertvolle und artenreiche Riffe. Dort lebende Tiere wie z. B. einige Muscheln oder Seescheiden, die zur Nahrungsaufnahme feinste Partikel aus dem Wasser filtern, können in ihrer Filtrierleistung eingeschränkt werden und sterben. Die Trübungsfahnen können auch direkte Effekte auf Fische haben, denn die Überlebensfähigkeit ihrer Eier wird in solchen Fahnen stark beeinträchtigt. |
6-7 Olfaktorische Reize (Duftstoffe, auch: Anlockung) | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
6-8 Endokrin wirkende Stoffe | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
6-9 Sonstige Stoffe | 0 | Hinweise auf eine Relevanz sonstiger Stoffe liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
7 Strahlung | ||
7-1 Nichtionisierende Strahlung / Elektromagnetische Felder | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
7-2 Ionisierende / Radioaktive Strahlung | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
8 Gezielte Beeinflussung von Arten und Organismen | ||
8-1 Management gebietsheimischer Arten | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
8-2 Förderung / Ausbreitung gebietsfremder Arten | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
8-3 Bekämpfung von Organismen (Pestizide u.a.) | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
8-4 Freisetzung gentechnisch neuer bzw. veränderter Organismen | 0 | Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
9 Sonstiges | ||
9-1 Sonstiges | 0 | Hinweise auf eine Relevanz sonstiger Wirkfaktoren liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor. |
0 | (i. d. R.) nicht relevant |
1 | gegebenenfalls relevant |
2 | regelmäßig relevant |