FFH-VP-Info

Fachinformationssystem des BfN
zur FFH-Verträglichkeitsprüfung

Stand: 12. Januar 2023
Bundesamt für Naturschutz

Wirkfaktoren des Projekttyps

19 Sonstiges >> Landgewinnung

Bemerkung: Der Projekttyp umfasst die Landgewinnung im Sinne der Gewinnung von Deichvorland. Zur Landgewinnung werden verschiedene Verfahren bzw. Methoden eingesetzt, die sich in ihrer Dauer und Intensität voneinander abgrenzen:

a) Künstliche Beschleunigung des natürlichen Verlandungsprozesses mittels Buhnen und Lahnungen

b) Künstliche Aufschüttung in Küstenbereichen, in denen keine Verlandung stattfinden würde bzw. Sandaufspülungen z. B. mittels Saugbaggern

c) Trockenlegung von Gebieten mittels Eindeichung

Zu den möglichen baubedingten Vorhabensbestandteilen zählen u. a. Zufahrten, Baustraßen, Baustelle bzw. Baufeld, Materiallagerplätze, Maschinenabstellplätze, Erdentnahmestellen, Bodendeponien, Baumaschinen und Baubetrieb, Baustellenverkehr und Baustellenbeleuchtung.

Wirkfaktoren
Relevanz
Erläuterungen
1 Direkter Flächenentzug
1-1 Überbauung / Versiegelung1 Durch die Landgewinnung können Beeinträchtigungen durch den direkten Flächenentzug von Meeresfläche sowie angrenzender Bereiche entstehen.

Im Zuge des Landgewinnungsprozesses entsteht oftmals ein hoher Anteil an undurchlässigen Oberflächen (> 10 %) (vgl. Yu & Zhang 2011).

Besonders Zugvögel können von der Landgewinnung beeinträchtigt werden, da die Verfügbarkeit und bevorzugte Qualität natürlicher Rasthabitate eingeschränkt oder zerstört werden (vgl. Rosa et. al. 2003).
2 Veränderung der Habitatstruktur / Nutzung
2-1 Direkte Veränderung von Vegetations- / Biotopstrukturen2 Bei der Landgewinnung treten regelmäßig Veränderungen von Vegetations-/Biotopstrukturen auf, da vormalige Meeresfläche unter Anwendung verschiedener Verfahren (s. Bemerkung) zu Landfläche entwickelt wird und Küstenbereiche umgestaltet werden. Die Landgewinnung führt unter anderem zum Rückgang der biologischen Vielfalt sowie natürlicher Feuchtgebiete und somit zum Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen (vgl. Yu & Zhang 2011).
2-2 Verlust / Änderung charakteristischer Dynamik2 Bei der Landgewinnung werden regelmäßig Sedimentations- und Überflutungsdynamiken absichtlich verändert.

Durch eine Veränderung der Sedimentationsbedingungen und der Hydrodynamik werden bei der Landgewinnung z. B. häufig die Lebensraumtypen des Watt und der Atlantischen Salzwiesen beeinträchtigt (Krause et al. 2005).
2-3 Intensivierung der land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Nutzung1 Bei der Landgewinnung können Beeinträchtigungen durch Intensivierung der land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Nutzung stattfinden, da vormalige Meeresfläche in Landfläche umgewandelt wird und ehemalige Küstenbereiche Teil des Landesinneren werden. Diese Flächen können ggf. intensiv genutzt werden.
2-4 Kurzzeitige Aufgabe habitatprägender Nutzung / Pflege0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
2-5 (Länger) andauernde Aufgabe habitatprägender Nutzung / Pflege1 Im Bereich der ehemaligen Küste kann ggf. die bestehende habitatprägende Nutzung (z. B. Beweidung) aufgegeben werden.
3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren
3-1 Veränderung des Bodens bzw. Untergrundes2 Bei der Landgewinnung treten Veränderungen des Bodens bzw. Untergrundes regelmäßig auf, da vormalige Meeresfläche mithilfe verschiedener Verfahren (s. Bemerkung) zu Landfläche umgewandelt wird und sich der Einfluss des Meeres infolge Gezeiten, Wellengang, Mesoklima etc. auf die angrenzenden Küstenbereiche reduziert. Hierdurch kommt es zum lokalen Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen im Boden (vgl. Yu & Zhang 2011).
3-2 Veränderung der morphologischen Verhältnisse2 Bei der Landgewinnung treten Veränderungen der morphologischen Verhältnisse regelmäßig auf, da vormalige Meeresfläche mithilfe verschiedener Verfahren (s. Bemerkung) zu Landfläche umgewandelt wird und sich der Einfluss des Meeres infolge Gezeiten, Wellengang, Mesoklima etc. auf die angrenzenden Küstenbereiche reduziert.

Folge von Veränderungen der morphologischen Verhältnisse sind insbesondere Veränderungen an Habitatparametern, die für bestimmte Arten wesentlich sein können (z. B. Wasserhaushalt, Struktur).
3-3 Veränderung der hydrologischen / hydrodynamischen Verhältnisse2 Bei der Landgewinnung treten Veränderungen der hydrologischen/hydrodynamischen Verhältnisse regelmäßig auf, da vormalige Meeresfläche mithilfe verschiedener Verfahren (s. Bemerkung) zu Landfläche umgewandelt wird und sich der Einfluss des Meeres infolge Gezeiten, Wellengang, Mesoklima etc. auf die angrenzenden Küstenbereiche reduziert.
3-4 Veränderung der hydrochemischen Verhältnisse (Beschaffenheit)2 Bei der Landgewinnung treten Veränderungen der hydrochemischen Verhältnisse (Beschaffenheit) regelmäßig auf, da vormalige Meeresfläche mithilfe verschiedener Verfahren (s. Bemerkung) zu Landfläche umgewandelt wird.
3-5 Veränderung der Temperaturverhältnisse1 In den an die ehemaligen Meeresflächen angrenzenden (Küsten-)Bereichen kann sich ggf. das Mesoklima einschließlich der Temperaturverhältnisse infolge des verringerten Einflusses des Meeres verändern.
3-6 Veränderung anderer standort-, vor allem klimarelevanter Faktoren1 Im Zuge der Landgewinnung können auch weitere Veränderungen standort- und klimarelevanter Faktoren auftreten.
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust
4-1 Baubedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität1 Landgewinnung führt aufgrund verschiedener möglicher Vorhabensbestandteile (s. Bemerkung) ggf. zu relevanten baubedingten Individuenverlusten.

Diese können bei der Beschleunigung des natürlichen Verlandungsprozesses daraus resultieren, dass Buhnen und Lahnungen in den Meeresboden gerammt werden und darin lebende Individuen getötet werden.

Aufspülungen können zu relevanten Individuenverlusten an den Entnahmestellen führen und am Ort der Aufspülung.
4-2 Anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität1 Landgewinnung führt aufgrund verschiedener möglicher Vorhabensbestandteile (s. Bemerkung) ggf. zu Beeinträchtigungen durch anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung/Individuenverlust.
4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
5 Nichtstoffliche Einwirkungen
5-1 Akustische Reize (Schall)1 Durch die Landgewinnung kann es je nach Methode (s. Bemerkung) zu störungsbedingten Beeinträchtigungen durch akustische Reize kommen. V. a. die Aufschüttung kann baubedingt zur Entstehung von akustischen Reizen beitragen. Dies gilt auch für künstliche Sandaufspülungen.
5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht)1 Durch die Landgewinnung kann es je nach Methode (s. Bemerkung) zu störungsbedingten Beeinträchtigungen durch optische Reize durch Arbeiter und Maschinen (z. B. bei der Sandaufspülung) kommen.
5-3 Licht0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
5-4 Erschütterungen / Vibrationen1 Durch die Landgewinnung kann es je nach Methode zu Beeinträchtigungen durch Erschütterungen/Vibrationen kommen.

Bei der Landgewinnung durch Ablagerung werden Buhnen und Lahnungen mittels Rammverfahren in den Meeresboden eingebracht.
5-5 Mechanische Einwirkung (Wellenschlag, Tritt)0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor, siehe aber Wirkfaktoren 2-1 und 4-1.
6 Stoffliche Einwirkungen
6-1 Stickstoff- u. Phosphatverbindungen / Nährstoffeintrag0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
6-2 Organische Verbindungen0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
6-3 Schwermetalle0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
6-4 Sonstige durch Verbrennungs- u. Produktionsprozesse entstehende Schadstoffe1 Je nach Methode der Landgewinnung können sonstige durch Verbrennungs- und Produktionsprozesse entstehende Schadstoffe relevant sein. V. a. bei der Landgewinnung durch Aufschüttung können durch eingesetzte Maschinen Schadstoffe durch Verbrennungs- und Produktionsprozesse entstehen.
6-5 Salz1 Die Landgewinnung führt ggf. zu Beeinträchtigungen durch Veränderungen des Salzhaushalts. Infolge des geringeren Meereseinflusses reduziert sich in den anliegenden Bereichen ggf. der Salzgehalt in Luft, Boden und Grundwasser und kann so an hohe Salzgehalte angepasste Lebensräume und Arten beeinträchtigen.

Bei der Landgewinnung durch Beschleunigung des natürlichen Verlandungsprozesses entstehen Salzwiesen in den Lahnungsfeldern (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein 2015).
6-6 Depositionen mit strukturellen Auswirkungen (Staub / Schwebst. u. Sedimente)2 Im Rahmen der Landgewinnung entsteht regelmäßig Deposition mit strukturellen Auswirkungen.

Durch die Anlage von Buhnen und Lahnungen wird die Sedimentation beschleunigt. Diese beruhigen die Meeresströmung und sorgen dafür, dass die mitgeführten Schwebstoffe schneller zu Boden sinken (Nordfriisk Instituut o. J.).
6-7 Olfaktorische Reize (Duftstoffe, auch: Anlockung)0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
6-8 Endokrin wirkende Stoffe0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
6-9 Sonstige Stoffe0 Hinweise auf eine Relevanz sonstiger Stoffe liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
7 Strahlung
7-1 Nichtionisierende Strahlung / Elektromagnetische Felder0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
7-2 Ionisierende / Radioaktive Strahlung0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
8 Gezielte Beeinflussung von Arten und Organismen
8-1 Management gebietsheimischer Arten0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
8-2 Förderung / Ausbreitung gebietsfremder Arten1 Je nach Methode der Landgewinnung werden gebietsfremde Arten (z. B. Spartina alterniflora) angepflanzt (BfN 2003), um durch ihre verzweigten Wurzeln den neu entstehenden Boden zu festigen.

V. a. bei der Beschleunigung des natürlichen Verlandungsprozesses durch Buhnen und Lahnungen wird Queller eingesetzt, um die Struktur des neu gewonnenen Bodens zu festigen.
8-3 Bekämpfung von Organismen (Pestizide u.a.)0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
8-4 Freisetzung gentechnisch neuer bzw. veränderter Organismen0 Hinweise auf eine Relevanz dieses Wirkfaktors liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.
9 Sonstiges
9-1 Sonstiges0 Hinweise auf eine Relevanz sonstiger Wirkfaktoren liegen nach dem derzeitigen Bearbeitungsstand nicht vor.

Leitfäden / Literatur zu diesem Projekttyp

Bundesamt für Naturschutz (BfN) (2003): Beschreibung der Art Spartina anglica C. E. Hubbard (Poaceae), Salz-Schlickgras.

Krause, J., Drachenfels, O. von, Ellwanger, G., Farke, H., Fleet, D., Gemperlein, J., Heinicke, K., Herrmann, C., Klugkist, H., Lenschow, U., Michalczyk, C., Narberhaus, I., Schröder, E., Stock, M. & Zscheile, K. (2008): Bewertungsschemata für die Meeres- und Küstenlebensraumtypen der FFH-Richtlinie. Ergebnis Bund-Länder-Arbeitskreis "FFH-Berichtspflichten Meere und Küsten".

Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (2015): Strategie für das Wattenmeer 2100. Kiel, 87 S.

Nordfriisk Instituut o. J. (o. J.): Nordfrieslandlexikon: Landgewinnung.

Priyandes, A. & Majid, M. R. (2009): Impact of reclamation activities on the environment. Case study: reclamation in northern coast of batam, Indonesia. Jurnal Alam Bina, Jilid 15 (1): 21-34.

Rosa, S., Palmeirim, J. M. & Moreira, F. (2003): Factors Affecting Waterbird Abundance and Species Richness in an Increasingly Urbanized Area of the Tagus Estuary in Portugal. The International Journal of Waterbird Biology 26 (2): 226-232.

Yu, G. & Zhang, J.-Y. (2011): Analysis of the impact on ecosystem and environment of marine reclamation--A case study in Jiaozhou Bay. Energy Procedia 5 (2011): 105-111.

Relevanz des Wirkfaktors

0 (i. d. R.) nicht relevant
1gegebenenfalls relevant
2regelmäßig relevant

Bearbeitung und Zitiervorschlag: siehe Impressum von