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Fachinformationssystem des BfN zur
FFH-Verträglichkeitsprüfung
Stand: 12. Januar 2023 |
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A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
2 |
4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
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1.01 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Die betriebsbedingte Mortalität / Tötung von Vögeln resultiert insbesondere aus Kollisionen mit Kraftfahrzeugen, Zügen sowie Flugzeugen, die teilweise in großem Umfang zu schwerwiegenden Verletzungen oder direktem Tod der Individuen führen oder aus der Tötung bei bestimmten Formen der Nutzungsausübung (z. B. Landwirtschaft, Fischerei, Jagd). Die sowohl auf anlagebedingte sowie auch auf betriebsbedingte Faktoren zurückzuführende Mortalität an Windenergieanlagen und Energiefreileitungen wird unter Wirkfaktor 4-2 behandelt.
Die Gesamtverluste der Vögel durch Straßenverkehr in Deutschland, Dänemark oder den Niederlanden werden jeweils auf mehrere Millionen pro Jahr geschätzt (vgl. z. B. Steiof 1996:528, Hansen 1969:81ff., Van der Tempel 1993:27). Je nach Verhalten (Ausweichen oder Flucht), Flugvermögen und Manövrierfähigkeit sowie der Nutzung von Randbereichen der Verkehrswege oder der Verkehrswege selbst als Nahrungsressource (z. B. von Aasfressern) ergeben sich artspezifische Unterschiede der Mortalität.
Eine betriebsbedingte Barrierewirkung entsteht dann, wenn die Mortalität / Tötung ein hohes Maß annimmt oder wenn andere Faktoren (s. unter Wirkfaktorgruppe 5) zur Störung bzw. Meidung bestimmter Bereiche führen und somit eine Barrierewirkung herbeiführen oder verstärken. Barrierewirkungen führen zu Lebensraumzerschneidung und somit u. a. zur Beeinträchtigung bzw. Trennung von räumlich-funktionalen Beziehungen (z. B. zw. Brut- und Nahrungshabitat oder zw. Schlaf- und Nahrungshabitat) (s. 'Vertiefende Ausführungen' unter 'Wirkfaktoren').
Barrierewirkungen / Mortalität können - abhängig vom Umfang - zu Verlust von Teilhabitaten, Verringerung des Bruterfolgs, zu Brutpaarverlust, Bestandsrückgang oder Beeinträchtigung bzw. Erlöschen lokaler (Teil-)Populationen führen.
Die nachfolgenden Datensätze sind nach den Projekttypen A: 'Straßenverkehr', B: 'Schienenverkehr' und C: 'Flugverkehr' sortiert.
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
2 |
4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
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1.02 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Die Relevanzeinstufung für die Art erfolgte aufgrund der "hohen" vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung durch Kollision an Straßen als Brutvogel (Bernotat & Dierschke 2016; siehe unten stehende Datensätze).
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
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Qualifizierung
der Quelle:
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1.03 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
A: Straßenverkehr
Kollisionen mit Fahrzeugen ergeben sich im Einwirkungsbereich von Straßen beim Überflug, zum Teil jedoch auch beim laufenden Überqueren zwischen Brut- und (Haupt-) Nahrungshabitaten (z. B. Junge führende Nestflüchter) oder beim Aufenthalt im Trassenbereich zur Nahrungssuche (z. B. Greifvögel, Eulen) und auch zur Thermoregulation (Ziegenmelker). Insofern ist bei manchen Arten aufgrund der Attraktionswirkung von Straßen auch von einem gewissen Risiko erhöhenden Falleneffekt auszugehen.
Zudem zeigten Untersuchungen der Besiedlung von Straßenbegleitgrün (Heinze 1990, Hammerich 1993, Steiof 1996), dass durch die Verkehrsopfer insbesondere der Alttiere der Bruterfolg nur sehr gering ist und der Lebensraum aufgrund der dadurch erhöhten Mortalität ggf. zur Falle werden kann (Populationssenken; vgl. Datensatz 5.03).
Als besonders fatal haben sich Straßenabschnitte erwiesen, die dicht an niedrigwüchsigen, vogelreichen Habitaten vorbeiführen, insbesondere Schilfröhrichten, Hochstauden und Gebüschen. Aus diesen fliegen Vögel in geringer Höhe bodennah ab und unterliegen schon von daher einem hohen Risiko, mit Fahrzeugen zu kollidieren. Bei Fahrgeschwindigkeiten über 50 km/h steigt das Tötungsrisiko signifikant und wächst mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit.
Bei den vielfältigen Untersuchungen zur Vogelmortalität an Straßen wurden mehr oder weniger aus allen taxonomischen Gruppen und ökologischen Gilden Opfer registriert, so dass davon auszugehen ist, dass grundsätzlich alle Vogelarten von Verkehrsverlusten betroffen sein können. Allerdings zeichnen sich in Empfindlichkeit bzw. Gefährdung z. T. auch artspezifische Unterschiede ab.
Simonis et al. (1997:71ff.) stellten artspezifische und verhaltensspezifische Unterschiede bei der Querung von Straßen fest. Auch das Flugverhalten mancher Arten wird durch die Lage der Straße und durch den Verkehr beeinflusst. Andere Arten scheinen breite Autobahnen nur selten zu überqueren (vgl. z. B. Muselet 1987, Keller et al. 1996, Brotons & Herrando 2001).
Obwohl es sich bei Vögeln um eine sehr mobile Artengruppe handelt, konnten Simonis et al. (1997:71ff.) auch eine gewisse Barrierewirkung einer Autobahntrasse auf Vögel nachweisen. Die Barrierewirkung sei artspezifisch und für die verschiedenen Aktivitäten der Vögel unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Querungen seien insbesondere an Straßendämmen und in Bereichen, in denen die baum- und strauchfreie Strecke zwischen den Waldrändern groß ist, eingeschränkt. Für Vogelarten, die sich bevorzugt in deckungsreicher Vegetation bewegen, stelle die Trasse auch ohne fließenden Verkehr eine Einschränkung der Mobilität dar. Von einer strengen Barrierewirkung kann allerdings nicht gesprochen werden. An einem Trassenabschnitt, der in einem Geländeeinschnitt verläuft und beidseitig mit Wald bestanden ist, überfliegen die Vögel die Trasse auch nach der Inbetriebnahme, während die Fahrbahn in aufgeschütteten Dammbereichen oder im Hangbereich von den Vögeln zur Querung gemieden wird (ebd.). Auch das Flugverhalten mancher Arten wird durch die Lage der Straße und durch den Verkehr beeinflusst und einige Arten scheinen breite Autobahnen nur selten zu überqueren (vgl. z. B. Muselet 1987, Keller et al. 1996, Brotons & Herrando 2001).
Differenzierte Ausführungen zur Mortalität von Vögeln an Straßen, eine Zusammenstellung verschiedener Fakten und Beispiele sowie Hinweise für die Planung finden sich z. B. bei:
Haas (1964), Hodson & Snow (1965), Bergmann (1974), Tamm (1976), Institut für Naturschutz und Tierökologie (1977), Bourquin (1983), Vignes (1984), Wäscher et al. (1988), Fuellhaas et al. (1989), Heinze (1990), Van den Tempel (1993), Hammerich (1993a), Steiof (1996), Bernotat (1997, u. a. zit. in Buchwald & Heckenroth 1999), Glitzner (1999), Frias (1999), Pons (2000) Klammer (2000), Erritzoe (2003), Garniel & Mierwald (2010), Bujoczek et al. (2011), Kociolek et al. (2011), Fackelmann (2012), Guinard et al. (2012), Grilo et al. (2014), Jack et al. (2015), Rytwinski & Fahrig (2015), Bernotat & Dierschke (2021).
Arbeitshilfe zur arten- und gebietsschutzrechtlichen Bewertung für Straßen: Bernotat & Dierschke (2021, Teil II.2).
Bibliographien: Hammerich (1993b) oder Glitzner (1999).
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
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BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
In einer Zusammenstellung von Totfundzahlen an Straßen geben Bernotat & Dierschke (2016:347ff.) für die Wiesenweihe in Europa 5 Individuen an, davon 1 Verkehrsopfer in Deutschland.
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
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Qualifizierung
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BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Bernotat & Dierschke (2016) haben für alle heimischen Vogelarten jeweils das Kollisionsrisiko an Freileitungen, Straßen, Windenergieanlagen sowie das Stromtodrisiko an Mittelspannungsleitungen in einer 5-stufigen Skala von sehr gering bis sehr hoch eingestuft.
In diese den Stand des Wissens zusammenfassenden Bewertungen sind Totfundzahlen, Kenntnisse zur Biologie und zum Verhalten der Art, bislang publizierte Einstufungen sowie eigene Einschätzungen eingeflossen.
Die Wiesenweihe weist danach im Hinblick auf Straßen ein "geringes" Kollisionsrisiko auf.
Dieses Kollisions- bzw. Tötungsrisiko wurde von den Autoren dann mit der allgemeinen Mortalitätsgefährdung (MGI) der Art zu einer vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung (vMGI) aggregiert. Diese stellt das maßgebliche Klassifizierungssystem für die Einstufung von Arten hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber zusätzlicher anthropogener Mortalität dar und ist in FFH-VP-Info unter der Auswertekategorie 5 als Grundlage zur Bewertung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen wiedergegeben.
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Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
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Qualifizierung
der Quelle:
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1.21 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
B: Schienenverkehr
Die Mortalität von Vögeln an Schienenwegen resultiert einerseits aus der Kollision mit den Zügen, andererseits jedoch auch aus der Kollision mit den Oberleitungen sowie aus Stromschlag (anlagebedingte Ursache, s. Wirkfaktor 4-2). Die schreckhafte Flucht beim Herannahen eines Zuges erhöht auch die Gefährdung durch Kollision mit den Oberleitungen.
Bei den Untersuchungen zur Vogelmortalität an Schienenwegen wurden mehr oder weniger aus allen taxonomischen Gruppen und ökologischen Gilden Opfer registriert, so dass davon auszugehen ist, dass grundsätzlich alle Vogelarten potenziell von Verlusten an Schienenwegen betroffen sein können. Allerdings zeichnen sich auch hier in Empfindlichkeit bzw. Gefährdung z. T. artspezifische Unterschiede ab (vgl. z. B. Roll 2004).
Kollisionen mit Zügen ergeben sich zum Teil beim Überflug, zum Teil jedoch auch beim Aufenthalt im Trassenbereich zur Nahrungssuche (z. B. Greifvögel) oder beim Nutzen der Leitungsdrähte als Ansitzwarten. Hier ist bei manchen Arten von einem gewissen Falleneffekt auszugehen.
Vor allem bei durch Wald führenden Trassen scheinen größere Vögel stärker betroffen zu sein, da sie bei plötzlicher Annäherung eines Zuges primär die Schneise der Trasse selbst entlang fliegen. Durch beiderseitige Waldränder und die Oberleitungen der Bahn kann sich quasi ein 'Tunnel' ergeben, den der Vogel zuerst für den Abflug nutzt. Aufgrund der Fahrgeschwindigkeit des Zuges und der Schwierigkeit, ein auf sich zu bewegenden Körper einschätzen zu können, bleiben dem Vogel allenfalls wenige Sekunden zur Flucht. Aasfresser (Seeadler, Mäusebussard) sind abermals stärker betroffen, da sie an von der Bahn angefahrenen Tieren fressen.
Basierend auf einer breiten Literaturauswertung kommt Roll (2004:38f) zu dem Ergebnis, dass trotz einer deutlich geringeren Anzahl an Fahrzeugen verglichen mit Straßen, die Auswirkungen des Zugverkehrs bezogen auf den Streckenkilometer offenbar höher liegen als bei Straßen. Ursachen können der o. g. Falleneffekt durch angefahrene Tiere, die hohe Fahrgeschwindigkeit der Züge und die weitgehende Störungsarmut der Bahntrasse selbst sein.
Differenzierte Ausführungen zur Mortalität von Vögeln an Schienenwegen, eine Zusammenstellung verschiedener Fakten und Beispiele sowie Hinweise für die Planung finden sich z. B. bei:
Spencer (1965), Lösekrug (1982), Havlin (1987b), Baldauf (1988), Hoerschelmann (1992), Pons & Claessens (1993), Pons (1994), SCV (1996), Bauer (2000), Jöhnk (2001), Menz (2003), Roll (2004), Eisenbahnbundesamt (2010).
Bibliographien: Roll (2004).
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
1.41 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
C: Flugverkehr
Der Kollision von Vögeln mit Flugzeugen wird i. d. R. v. a. aufgrund der daraus reduzierten Flugsicherheit Beachtung geschenkt. Kollisionen können beim Flug in größerer Höhe auftreten oder aber räumlich konzentrierter - und besonders kritisch - bei Start und Landung im Bereich der Flughäfen. Dort gibt es in der Regel spezielle Bird Control - Aktivitäten, mit denen durch Management, Vergrämung und zur Not durch Abschuss und Beizjagd das Vogelschlagrisiko für den Flugverkehr reduziert werden soll. Aus Sicht der Flugsicherheit sind v. a. Großvögel (wie z. B. Greifvögel, Gänse, Schwäne, Reiher, Störche, Kormoran) und schwarmbildende Arten (wie z. B. Star, Ringeltaube, Kiebitz, Schwalben, Möwen, Krähen, Drosseln) problematisch und unterliegen daher einem erhöhten Vertreibungsdruck (vgl. z. B. Hämker & Borstel 2003, Morgenroth 2003, Ehring 2004, Weitz 2005).
Auch bei der Mortalität durch Flugverkehr dürfte das gesamte Artenspektrum potenziell betroffen und v. a. durch die vorherrschenden Lebensraumstrukturen geprägt sein. Möglicherweise bestehen artspezifische Unterschiede basierend auf Unterschieden in Flughöhe, Flugverhalten oder störungsbedingtem Meideverhalten der Arten. Grundsätzlich sind nicht nur die Habitate auf dem Flughafen maßgeblich, sondern auch die Lebensraumbedingungen im Umfeld, da auch die regelmäßigen räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen Brut-, Nahrungs-, Rast- oder Schlafhabitaten zu einem Problem werden können (vgl. z. B. Morgenroth 2003).
Nach den Richtlinien des BMVBW werden auch die Umgebung des Flughafens in einem Radius von 6 km sowie die Anflugflächen 10 km vor den jeweiligen Schwellen in die Maßnahmen der Vogelschlagverhütung mit einbezogen (Lange & Hild 2003:70). Von der internationalen AGA Working Group wurden 2004 als Wildlife Hazard Management Empfehlungen für internationale Flughäfen erarbeitet, die vorsehen, dass in einem Radius von 8 km um den Flughafenbezugspunkt verschiedene Aktivitäten zur Förderung von Vogelbeständen (z. B. Anlage oder Erweiterung von Wasserflächen, Erweiterung natürlicher Habitate aber auch Anlage von Mülldeponien und Abwasseranlagen) verhindert werden sollten. Aus dem Blickwinkel der Flugsicherheit handelt es sich bei solchen Flächen, die für die Avifauna attraktiv sind, im Umfeld des Flughafens um 'Problembiotope' (vgl. z. B. Lange & Hild 2003, Morgenroth & Sinder 2002), die es möglichst zu vermeiden gilt. Aus Sicht des Naturschutzes können somit Flughäfen auch indirekt weit über das unmittelbare Flughafengelände hinaus großflächig ein erhebliches Konfliktpotenzial mit sich bringen.
Noch relativ unbeachtet sind Todesfälle v. a. von Mäusebussarden und anderen mittelgroßen Vögeln auf dem Flughafengelände selber, die vermutlich durch sogenannte Wirbelschleppen verursacht werden, also Luftverwirbelungen, die bei Starts und Landungen an den Tragflächen größerer Flugzeuge entstehen.
Differenzierte Ausführungen und Statistiken zur Kollision von Vögeln mit Flugzeugen, eine Zusammenstellung verschiedener Fakten und Beispiele sowie Hinweise für Planung und Management finden sich z. B. bei:
Scheller & Küsters (1999), Jackson & Allan (2002), Morgenroth & Sindern (2002), Breuer (2003), Schmundt (2004), Hüppop (2004), Weitz (2005), Breuer (2005), Bruderer & Komenda-Zehnder (2005), Breuer (2006, 2007), Albrecht & Esser (2007), Schillhorn (2010), Kitowski (2011), Morgenroth (2011), Deutsch (2013).
Zeitschriften: Vogel und Luftverkehr (Gesamtinhaltsverzeichnis ab 1986 als PDF unter http://www.davvl.de/de/fachzeitschrift/gesamtinhaltsverzeichnis).
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
3. Prognosemethoden
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
3.01 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Bei der Wirkungsprognose sind die qualitativen und quantitativen Betroffenheiten der Art durch betriebsbedingte Mortalität und/oder Barrierewirkungen einzuschätzen. Dabei sind die Wirkintensität des Projekts und seiner Bestandteile und die Empfindlichkeit des betroffenen Raumes sowie der betroffenen Arten zu analysieren (s. nachfolgende Datensätze).
Es sind alle relevanten (Teil-)Habitate sowie die räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen Teilhabitaten mit den vom Projekt beanspruchten Flächen zu überlagern. Grundsätzlich ist insbesondere die Betroffenheit der räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilhabitaten einer Art auf Individuums- und/oder Bestandsniveau qualitativ und quantitativ einzuschätzen.
Es sind die quantitativen und qualitativen Funktionsverluste für die betroffenen Individuen bzw. (Teil-) Populationen zu beurteilen. Zudem ist die Beurteilung der vorhandenen Bestandsgrößen und eine Einschätzung der langfristigen Auswirkungen der Mortalität bzw. Barrierewirkungen auf die Bestände im Gebiet vorzunehmen (s. auch unter Erheblichkeit).
Im Einzelfall können auch Flächen außerhalb des Gebietes zu berücksichtigen sein, sofern die betroffenen (Teil-)Habitate eine wesentliche funktionale Bedeutung für die im Gebiet vorkommenden Bestände der Art aufweisen.
Eine Berücksichtigung etwaiger kumulativer Wirkungen additiver oder synergistischer Art durch andere Wirkfaktoren des Projekts/Plans oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten/Plänen ist notwendig.
Im Einzelfall können aus Gründen der Prognosesicherheit zur Beurteilung der Mortalität bzw. Barrierewirkung auch weitergehende Methoden notwendig werden (z. B. Populationsgefährdungsanalysen, s. Rassmus et al. 2003, Lambrecht et al. 2004).
A 084 |
Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
2 |
4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
3. Prognosemethoden
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
3.02 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Standardisierte Prognosemethoden zur Ermittlung der Mortalität von Vögeln bei den verschiedenen Verkehrsträgern konnten bislang nicht ermittelt werden. Nachfolgend sind jedoch die wesentlichen Grundaspekte zur Ermittlung des Mortalitätsrisikos dargestellt. Darüber hinaus finden sich qualifizierte Hinweise z. T. auch in den eingangs genannten Standardwerken.
Bei der Prognose kann zunächst allgemein aus dem Vorkommen von Vögeln auf die potenziellen Vogelverluste geschlossen werden. Bereiche mit hoher Brutvogeldichte oder hohem Vorkommen von Gast- bzw. Zugvögeln sind gegenüber projektbedingter Mortalität problematischer als Bereiche mit geringer Bedeutung für Vögel (z. B. Hoerschelmann 1997, Richarz 2001:124f.).
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden als allgemein kritische Gebiete z. B. Gewässer, Feuchtgebiete, Niederungen mit hohen Rastbeständen, Wiesenvogellebensräume, Koloniebereiche etc. genannt. Dies gilt auch für Konzentrationspunkte des Vogelzuges (zentrale Zugrouten, wichtige Zugschneisen) z. B. an Gebirgspässen, Küstenabschnitten, Flusstälern etc. und Standorte mit häufigen Wetterlagen, die zu schlechten Sichtverhältnissen führen (vgl. Hoerschelmann 1997, Lösekrug 1997, Richarz 2001:124f.). Für die Beurteilung der Bedeutung bzw. der Funktionen von Flächen für Vögel sind u. a. Landschaftsbeschaffenheit, Biotopeigenschaften, Nahrungsangebot, Brutplatzeignung, Rastgebietsfunktionen etc. zu berücksichtigen.
Natura 2000-Gebieten kommt eine besondere Bedeutung für Arten und Lebensgemeinschaften zu, wozu in der Regel auch Vögel bzw. Avizönosen zu zählen sind. Europäische Schutzgebiete, in denen Vogelarten nach den Erhaltungszielen geschützt sind, weisen somit immer eine besondere Bedeutung und i. d. R. eine besondere Sensibilität aus Sicht des Vogelschutzes auf. Vögel können hierbei als Arten der Vogelschutz-RL in einem Vogelschutzgebiet unmittelbar oder als charakteristische Arten bestimmter Lebensraumtypen in einem FFH-Gebiet mittelbar durch Erhaltungsziele oder den Schutzzweck geschützt sein.
Grundsätzlich ist somit zunächst immer auch die räumliche Entfernung des Projekts zum Schutzgebiet bzw. zu den verschiedenen (Teil-)Habitaten der geschützten Vogelarten zu ermitteln.
A 084 |
Wiesenweihe
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4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
3. Prognosemethoden
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
3.03 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Belastungsfaktoren von Projekttypen bzw. räumlichen Konstellationen:
Das jeweilige Projekt ist hinsichtlich seiner spezifischen Wirkintensität bzw. seines Risikopotenzials anhand der jeweils relevanten Projektparameter zu beurteilen.
- Bei Straßen und Schienenwegen sind v. a. Verkehrsdichte/Verkehrsaufkommen, Verkehrsgeschwindigkeit, Trassierung, landschaftliche Situation, Lage im Raum und Trassenbegleitvegetation von Bedeutung.
- Bei Schienenwegen kommt noch die Ausgestaltung der Oberleitungen als maßgeblicher Parameter hinzu.
- Bei Flughäfen spielen v. a. die Lage im Raum, Biotoptypen auf dem Flughafengelände, landschaftliche Gegebenheiten im Umfeld und das Flugverkehrsaufkommen eine Rolle (vgl. auch den von Morgenroth 2003 entwickelten Index zur Berechnung der Flugsicherheitsrelevanz von Vogelarten).
Die nachfolgende Kurzcharakterisierung der relevanten Projektparameter basiert auf den Vorarbeiten von Bernotat (1997) bzw. Bernotat & Dierschke (2021):
1. Verkehrsdichte / Verkehrsaufkommen
Zahlreiche Untersuchungen stellen bei Straßen mit höherem Verkehrsaufkommen auch höhere Vogelverluste fest als bei Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen (vgl. z. B. Hansen 1969, Oxley et al. 1974, Odzuck 1975, Heinrich 1978).
In der Regel steigt mit zunehmendem Verkehrsaufkommen die Wahrscheinlichkeit einer Kollision offenbar stärker an, als die durch regelmäßigeren Verkehrsfluss ermöglichten Lerneffekte (vgl. dagegen Bergmann 1974:13f.) oder die durch Lärmimmissionen bedingte Verdrängung (vgl. Wirkfaktor 5-2) eine Reduktion der Verlustrate bewirken können.
2. Verkehrsgeschwindigkeit
Viele Autoren weisen darauf hin, dass auch die Verkehrsgeschwindigkeit die Rate der Verkehrsopfer unter Vögeln beeinflusst (vgl. z. B. Martens 1962:221, Wäscher et al. 1988:51, Hammerich 1993:125ff., Roll 2004, Canal et al. 2019). Sehr schnell fahrende Fahrzeuge können von Vögeln offensichtlich nicht rechtzeitig wahrgenommen bzw. nicht richtig eingeschätzt werden, so dass es vermehrt zu Kollisionen kommt. Unklar ist derzeit noch, nach welcher Funktion die Gefährdung mit der Geschwindigkeit zunimmt und ob es gewisse Schwellenwerte gibt, ab denen stark vermehrte Verluste auftreten.
Wäscher et al. (1988:51) stellen eine deutliche Erhöhung der Verkehrsverluste bei Geschwindigkeiten über 40 km/h fest. Löhrl (1950:133) kommt zu dem Ergebnis, dass Goldammern bei Fahrzeuggeschwindigkeiten von 40-50 km/h oft noch entkommen können. Als Schwellenwert, ab dem die Gefahr für Vögel, von Autos erfasst zu werden, stark ansteigt, nennt Hodson (1960:224ff.) 55 km/h und Hammerich (1993:127) 50-60 km/h.
Roos (1978, zit. In Hammerich 1993:126) geht davon aus, dass die meisten Unfälle mit Vögeln bei einer Geschwindigkeit von 70-80 km/h passieren. Illner (1992b:94) kommt bei Untersuchungen an Eulen zu dem statistisch signifikanten Ergebnis, dass der kritische Wert für Schleiereule, Waldohreule und Waldkauz bei ca. 80 km/h, beim Steinkauz bei ca. 60 km/h liegt, da bei diesen Geschwindigkeiten bezogen auf einen Kilometer Straße um ein Vielfaches (21 mal) mehr Eulen getötet wurden als bei Straßen mit geringeren Geschwindigkeiten.
3. Trassierung
Die Gestaltung des Trassenprofils hat ebenfalls einen Einfluss auf die Verkehrsverluste. Bei höhengleicher Trassenführung und insbesondere bei Dammlage ereignen sich aufgrund der ungünstigeren, da niedrigeren, Überfluglinie mehr Kollisionen als bei Trassen, die im Einschnitt verlaufen (vgl. z. B. Löhrl 1950:135, Wäscher et al. 1988:47f., Institut für Naturschutz und Tierökologie 1977:103). Bereiche mit trassenbegleitenden Erdwällen oder Lärm¬schutz¬wänden weisen bezogen auf überfliegende Arten eine verringerte Unfallrate auf (Wäscher et al. 1988:48).
4. Landschaftliche Situation
Ein wesentlicher Faktor ist die an die Trasse angrenzende Gelände- und Vegetationsstruktur. Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Zahl der Verkehrsopfer unter Vögeln bei reich gegliederten Landschaften mit höheren Siedlungsdichten und bei geeigneten Brut- und Nahrungshabitaten im unmittelbaren Trassenrandbereich deutlich erhöht ist (z. B. Smettan 1988:43, Hammerich 1993:135ff., Steiof 1996:530, Morgenroth 2003).
5. Lage im Raum
Hinsichtlich der Lage im Raum und der Ausrichtung sind v. a. Anordnungen quer zu den (Haupt-)Flugbewegungen problematisch. Dazu können z. B. auch lineare Strukturen (wie Hecken, Säume, Waldschneisen, Gräben oder Bäche) oder Lebensraumgrenzen (z. B. Waldrand, Ufer) zählen, da sich Vögel in ihrem Flug- bzw. Wanderverhalten häufig an solchen 'Leitstrukturen' orientieren (z. B. Löhrl 1950:135, Reck & Kaule 1992:88, Hammerich 1993:136). Grundsätzlich kann es auch von Bedeutung sein, welchen relativen Anteil eine Trasse (z. B. Brücke) am Flugraum / -korridor (z. B. Talraum) einnimmt, da hierdurch die Möglichkeiten des seitlichen Ausweichens der Vögel mit beeinflusst werden können.
6. Trassenbegleitvegetation
Die Wirkungen von Trassebegleitgrün auf die Verkehrsopferrate von Vögeln sind sehr vielfältig. Einerseits weist eine strukturreiche Trassenbegleitvegetation höhere Siedlungsdichten und somit auch höhere Verkehrsverluste auf (vgl. z. B. Wäscher et al. 1988:53, Steiof 1996:530ff., Menz 2003), es liegt ein typischer Falleneffekt vor. Andererseits schützt ein deutlich strukturierter Horizontüberstand der straßenbegleitenden Gehölze offensichtlich Vögel vor dem Verkehrstod, indem die Überflughöhe gesteigert wird (Bay & Rodi 1990:93f., Menz 2003).
7. Gestaltung der Oberleitungen bei Schienenwegen
Die Oberleitungen an Bahnanlagen stellen einen maßgeblichen zusätzlichen Gefährdungsfaktor dar, der bei der Wirkungsprognose entsprechend zu berücksichtigen ist. Nähere Informationen hierzu finden sich unter den eingangs genannten Publikationen und unter dem Thema Freileitungen im Kontext anlagebedingter Mortalität (Wirkfaktor 4-2).
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Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
3. Prognosemethoden
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
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BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Empfindlichkeiten von Arten und räumlichen Konstellationen:
Grundsätzlich muss auch bei der betriebsbedingten Mortalität von artspezifischen Empfindlichkeiten ausgegangen werden, die aus unterschiedlichen Verhaltensweisen resultieren und die somit zu berücksichtigen sind. Dabei spielen v. a. folgende Parameter eine Rolle:
1. Mobilität und Flughöhe bei Trassenquerungen,
2. Flug- und Manövrierfähigkeiten,
3. Attraktions- bzw. Störwirkungen der Verkehrsflächen,
4. Artspezifisches Fluchtverhalten.
1. Mobilität und typische Flughöhe bei Trassenquerungen
Eine besondere Empfindlichkeit kann grundsätzlich jenen Vogelarten zugesprochen werden, die eine hohe Mobilität und große Aktionsradien aufweisen und obligatorisch auf verschiedene, i. d. R. räumlich getrennt liegende Teillebensräume angewiesen sind.
Für die Mortalität spielt das Flugverhalten eine zentrale Rolle. So ist z. B. von großer Bedeutung, inwieweit die (regelmäßigen) lokalen Flugbewegungen (z. B. Nahrungs-, Balz- oder Schlafplatzflüge) im Bereich der Trassen und zudem so niedrig stattfinden, dass sie von Fahrzeugen erfasst werden können.
Arten mit Lebensräumen in bodennahen Vegetationsschichten (Staudenfluren, Röhrichte, Gebüsche, Unterholz) sind vermutlich besonders durch Verkehrstod betroffen, da ihre Flugbahn bei einem Ortswechsel i. d. R. niedriger verläuft (Steiof 1996:528).
Bay & Rodi (1991:92ff.) konnten durch eine Kontrolle des Flugverhaltens von Vögeln (3.038 Individuen) beim Überqueren einer Bundesstraße nachweisen, dass die einzelnen Vogelarten ein durchaus unterschiedliches Überflugverhalten zeigen. Die Ergebnisse führten zu der naheliegenden Erkenntnis, dass Arten mit niedriger durchschnittlicher Überflughöhe häufiger Unfallopfer werden. Auch Hammerich (1993:62ff.) ermittelte im Rahmen seiner Untersuchung für die verschiedenen Vogelarten unterschiedliche Überflughöhen.
Kneitz & Oerter (1997) untersuchten das Verhalten von an Gewässern entlang fliegenden Vögeln an Brückenbauwerken und konnten dabei artspezifische Unterschiede dahingehend feststellen, ob die Brücken eher unter- oder überflogen werden, wobei bei letzterem ein entsprechendes Kollisionsrisiko auftreten kann (vgl. auch FGSV 2008:30).
Der Gefährdungsgrad erhöht sich zudem auch, wenn die Fortbewegung 'langsam und laufend' stattfindet. Dies ist z. B. bei allen Arten der Fall, die regelmäßig ihre Jungen zwischen Teilhabitaten führen (z. B. Enten, Kranich, Wiesenlimikolen wie Großer Brachvogel oder Kiebitz) oder grundsätzlich ungern fliegen (z. B. Rebhuhn, Wachtel, Wachtelkönig, Fasan).
Aufgrund typischer Bewegungsmuster ordnet Hammerich (1993:142f.) (im Hinblick auf Straßen) einigen Vogelarten verschiedenen Gefährdungskategorien zu. Diese Angaben sollten jedoch nicht zu eng interpretiert werden, da die Verhaltensweisen von Vögeln letztlich auch stark von den an die Straße grenzenden Vegetationsstrukturen abhängig sind und sich nicht für jede Art verallgemeinern lassen. Dennoch stellt dieser Ansatz ein gutes Beispiel dar, sich mit den artspezifischen Empfindlichkeiten von Vögeln gegenüber Straßenverkehrstod auseinanderzusetzen und kann daher für planerische Abwägungen wertvolle Hinweise liefern.
Für die Beurteilung der Kollisionswahrscheinlichkeit mit Flugzeugen können eher die im Bereich der anlagebedingten Mortalität zusammengestellten Quellen zur Flughöhe von Vogelarten herangezogen werden.
2. Flug- und Manövrierfähigkeiten
Neben der Flughöhe sind ggf. auch die Flug- und Manövrierfähigkeiten zu beurteilen. Rayner (1988, zit. In Bevanger 1998) analysiert die artspezifische Flügel-Flächenbelastung und die Flügelstreckung von Vögeln und unterteilt sechs Hauptgruppen hinsichtlich ihrer Manövrierfähigkeit, um damit Anhaltspunkte für deren Kollisionsrisiko ableiten zu können. Garthe & Hüppop (2004) haben im Rahmen ihres 'species sensitivity index' gegenüber Offshore-Windparks für verschiedene Seevogelarten die Manövrierfähigkeiten auf einer Skala von 1 bis 5 eingestuft.
3. Attraktions- bzw. Störwirkungen der Verkehrsflächen, artspezifische Verhaltensmuster
Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob es eine risikoerhöhende Attraktionswirkung der Trasse auf die Art gibt (z. B. durch typisches Nahrungsangebot, Ansitzwarten, Randbepflanzung etc.) bzw. inwieweit die artspezifische Empfindlichkeit gegen die vom Projekt ausgehenden Störwirkungen (vgl. Wirkfaktoren 5-1 bis 5-4) zwar zu Lebensraumverlusten führen, jedoch andererseits das Mortalitätsrisiko reduzieren.
Insbesondere Arten, die typischer Weise an Straßen/Schienenwegen oder in der begleitenden Randvegetation nach Nahrung suchen, werden nachgewiesenermaßen auch oft Verkehrsopfer. Daher kann für einige Arten von einem sog. 'Falleneffekt' gesprochen werden. Die Vögel werden durch die leichte Erreichbarkeit von Nahrung auf oder an die Trasse gelockt, wo der Fahrzeugverkehr ihnen dann jedoch zum Verhängnis wird (Reck & Kaule 1992:79). Sehr häufig an Straßen angetroffen werden folgende Gruppen:
Verwerter von Aas und verletzten Tieren:
Arten, wie z. B. Mäusebussard, Rotmilan, Uhu, Rabenkrähe, Kolkrabe, Elster, Lachmöwe oder Silbermöwe nutzen mehr oder weniger regelmäßig die an Straßen überfahrenen Tiere als Nahrungsquelle (vgl. Bergmann 1974:20, Tamm 1976:200f., Hammerich 1993:141, Ellenberg et al. 1981:99). Im Winter verstärkt sich die Attraktivität der Straßen (und auch Schienenwege) z. T. noch, da bei Schneelagen die Erreichbarkeit von Nagetieren in der freien Landschaft erschwert ist und die Vögel verstärkt Aas als Nahrungsgrundlage nutzen. Dementsprechend hoch ist z. B. die Zahl winterlicher Greifvogelopfer an Straßen (vgl. Bosch 1992:109ff.).
Seeadler werden vergleichsweise häufig Opfer des Bahnverkehrs. Langgemach & Sömmer (2001) geben für Bahnstrecken im Land Brandenburg 22 Funde von insgesamt 105 Verlusten an. In den meisten Fällen war ein Zusammenhang mit Unfallwild auf den Gleisen erkennbar, und nicht selten wurden dadurch mehrere Adler (sowie Bussarde und andere Vögel) gleichzeitig angezogen. Die Adler verunglückten überwiegend im Winterhalbjahr.
Kleinsäugerjäger:
In den durch extensive Pflege offen gehaltenen Böschungen von Straßen- oder Schienenwegen können sich stabile Mäusepopulationen halten, die für Greifvögel und Eulen gut erreichbar sind (Bourquin 1983:168, Van der Tempel 1993:10, Steiof 1996:528). Dies gilt besonders dann, wenn entlang der Straßen zusätzlich Ansitzwarten (z. B. Bäume oder Straßenpfähle) vorhanden sind. Durch diese enge Nachbarschaft geeigneter Nahrungshabitate zur Straße erhöht sich das Risiko von Verkehrsverlusten z. B. für Mäusebussard, Rotmilan, Turmfalke, Schleiereule, Waldohreule, Waldkauz, Steinkauz oder Uhu. Bei Schienenwegen kommt den Leitungen - insbesondere in ausgeräumten und strukturarmen Landschaften - ein Anziehungspotenzial als Ansitzwarten zu, was in gewissem Umfang eine Risiko erhöhende Fallenwirkung impliziert.
Insektenjäger:
Heinze (1990:6) geht davon aus, dass die Aufheizung der Asphaltdecke zu einer hohen Insektendichte im engeren Trassenbereich führt, die insektenfressende Kleinvögel anzuziehen vermag. Insbesondere bei ungünstigen Wetterlagen stellen Straßen daher z. B. für Schwalben und Mauersegler günstige Jagdreviere dar, die in niedrigem Flug abgeflogen werden. Weitere typische Arten sind beispielsweise Bachstelze, Haubenlerche, Hausrotschwanz, Grauschnäpper, Neuntöter, Steinkauz oder Ziegenmelker (vgl. Hammerich 1993:141, Bergmann 1974:10,17, Ellenberg et al. 1981:95ff.).
Vorwiegend herbivore Arten:
Das Aufsammeln von Samen (z. T. auch Magensteinen) im straßennahen Bereich (z. B. Bankett) wird Arten wie Haus- und Feldsperling, Hänfling, Grünfink, Stieglitz, Girlitz, Star, Haustaube, Türken- und Ringeltaube relativ häufig zum Verhängnis (vgl. z. B. Hammerich 1993:141f., Bergmann 1974:12).
Offenlandarten, Arten der Feuchtgebiete:
Bei Flughäfen sind es häufig die weiträumig offenen Grünlandflächen, die für das entsprechende Artenspektrum an Brut- und Gastvögeln eine hohe Anziehung aufweisen.
4. Artspezifisches Fluchtverhalten
Aufgrund artspezifischer Verhaltensmuster entweder gerichteten Ausweichverhaltens oder mehr oder weniger ungerichteten Fluchtverhaltens werden Vogelarten des erstgenannten Verhaltenstypus seltener Verkehrsopfer, als dies ihrer Häufigkeit an Straßen entspricht. Dazu zählen z. B. Rabenkrähe, Saatkrähe, Elster oder Bachstelze (vgl. z. B. Tamm 1976:200f., Steiof 1996:529, Hammerich 1993:143), die verhaltensbedingt im Einwirkungsbereich des Straßenverkehrs einer geringeren Gefährdung ausgesetzt sind. Den Rabenvögeln dürfte dank ihrer relativ hohen Intelligenz eine Einschätzung von Gefahrensituationen möglich sein. Bei der zweiten Gruppe eher ungerichtet flüchtender Arten muss von einer hohen Gefährdung gegenüber Straßenverkehrstod ausgegangen werden.
Bernotat & Dierschke (2021, Teil II.2) stufen das straßenverkehrsbedingte Kollisionsrisiko aller in Deutschland heimischen Brut- und Gastvogelarten auf einer fünfstufigen Skala von sehr gering bis sehr hoch ein.
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4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
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4. Relevanzschwelle
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Jahr:
o. J. |
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Qualifizierung
der Quelle:
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4.01 |
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Soweit die Art und deren Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Relevanzschwelle grundsätzlich bei jeder Barrierewirkung zwischen Teilhabitaten im Gebiet überschritten. Gleiches gilt, soweit eine projektbedingt erhöhte Mortalität eintreten kann.
Innerhalb eines Schutzgebiets mit geschützten Vogelbeständen sind daher die Beeinträchtigungen durch Straßen, Schienenwege oder Flugplätze, die zu einer erhöhten Mortalität für die geschützten Arten führen können, prinzipiell immer relevant und auf ihre Erheblichkeit hin zu untersuchen.
Aufgrund der großräumig wirksamen Struktur von Straßen und Schienenwegen gilt dies häufig auch bezüglich der Zerschneidungswirkungen (Barriere und/oder Mortalität) zwischen dem Schutzgebiet und seiner Umgebung, wenn Hinweise auf dort vorkommende wesentliche Teillebensräume bzw. Teilbestände mit räumlich-funktionalen Beziehungen zum Gebiet vorliegen, sowie bei Zerschneidungswirkungen zwischen dem Schutzgebiet und anderen Schutzgebieten.
Für die Beurteilung einer etwaigen Betroffenheit von Beständen im Gebiet sind Mobilität und Aktionsradien der Art zu berücksichtigen. Dabei sind die verschiedenen räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen Teilhabitaten zu unterscheiden.
Um eine erhebliche Beeinträchtigung durch ein Vorhaben mit der rechtlich gebotenen Sicherheit ausschließen zu können, sind i. d. R. die oberen Angaben zu Habitatgrößen bzw. (regelmäßigen) Flugbeziehungen heranzuziehen und auf die potenziell geeigneten Lebensräume im Untersuchungsgebiet zu übertragen. Vorhaben, die in größerem Abstand als diesem 'Aktionsradius' geplant sind, können i. d. R. zu keinen relevanten Zerschneidungswirkungen durch Mortalität oder Barriere führen.
Literaturangaben als Orientierungswerte für Flächenansprüche und Mobilität (z. B. zu Aktionsräumen, Reviergrößen, Nestabständen, Dichten etc.) sind separat unter 'Raumbedarf und Aktionsräume von Arten' zusammengestellt.
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
5. Erheblichkeitsschwelle
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Jahr:
o. J. |
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der Quelle:
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5.01 |
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Die Beeinträchtigungsintensität resultiert einerseits aus der artspezifischen Empfindlichkeit und andererseits aus der Intensität der Barrierewirkung bzw. Mortalität. Unterschiedliche Intensitäten können auch auf die funktionale Differenzierung verschiedener betroffener Teilhabitate zurückgehen.
Die absolute und relative Dimension der Barrierewirkung sind wesentliche Größen der Beurteilung. Hierbei ist der Bezug sowohl zur (Teil-)Habitatfläche wie auch zu Größenordnungen bzw. Anteilen betroffener Individuen herzustellen.
Wichtig für die Erheblichkeitsbeurteilung sind zudem die funktionale Bedeutung der einzelnen betroffenen Flächen bzw. räumlich-funktionalen Beziehungen sowie die zeitliche Dimension der Beeinträchtigung (Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer).
Soweit die Bestände der Art und ihre Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Erheblichkeitsschwelle grundsätzlich bei jeder signifikanten Barrierewirkung zwischen Teilhabitaten im Gebiet überschritten. Im Einzelfall gilt dies auch bei Barrierewirkungen zwischen dem Schutzgebiet und seiner Umgebung bzw. zwischen verschiedenen Schutzgebieten, sofern hierbei maßgebliche räumlich-funktionale Beziehungen signifikant beeinträchtigt werden.
Für die Bewertung einer projektbedingt erhöhten Mortalität sind verschiedene artspezifische und populationsbezogene Parameter einzubeziehen. Dazu zählen die natürliche Reproduktionsrate und Sterblichkeit, durchschnittliches Lebensalter der Tiere, Bestandsgrößen und allgemeine Gefährdungssituation.
Kahlert et al. (2005:49) kommen zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine hohe jährliche Überlebensrate erwachsener Tiere (>0.7 auf einer Skala von 0 bis 1) mit einer niedrigen Reproduktionsrate korreliert ist (Gelegegröße 1-4). Viele Wasservögel wie z. B. Taucher, Schwäne, Eiderenten oder Watvögel und Greifvögel haben diese artspezifischen Populationskennzeichen und sind daher grundsätzlich gegenüber einer erhöhten anthropogenen Mortalität anfälliger und können die Verluste schlechter ausgleichen. Im Gegensatz dazu haben die meisten Singvogelarten niedrige jährliche Überlebensraten erwachsener Vögel, aber eine hohe Reproduktionsrate. Daher ist diese Gruppe weniger anfällig gegenüber zusätzlich erhöhter Mortalität und hat das Potenzial, sich von Populationsabnahmen relativ schnell zu erholen.
Tendenziell sind Arten mit hoher Lebenserwartung und geringerer Reproduktionsrate (K-Strategen) und/oder geringeren Beständen im Schutzgebiet bzw. einer allgemeinen Gefährdungseinstufung und ohnehin negativer Populationsentwicklung stärker beeinträchtigt als Arten mit geringer Lebenserwartung und hoher Reproduktionsrate (r-Strategen) und/oder großen Beständen im Schutzgebiet bzw. einer allgemein weiten Verbreitung und fehlenden Gefährdung in Deutschland (vgl. auch Bernotat 1997:108ff., Hüppop et al. 2005a, Kahlert et al. 2005:49, Hötker et al. 2004:48, Lambrecht et al. 2004b:332, Horch & Keller 2005:18, Bernotat & Dierschke 2016).
Bei Arten der ersten Kategorie kann bereits der Verlust von Einzelindividuen zu Konsequenzen für eine örtliche Population führen (vgl. z. B. auch Institut für Naturschutz und Tierökologie 1977:101, Reichenbach 2003:135, Horch & Keller 2005:19f., Percival 2005:197, Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2008:21) und muss ggf. als erheblich eingestuft werden.
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Wiesenweihe
(Circus pygargus) |
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
5. Erheblichkeitsschwelle
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Jahr:
2021a |
Seite(n):
7ff.
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
5.02 |
Bernotat, D. & Dierschke, V. |
Bernotat & Dierschke (2016/2021) haben mit dem sog. Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI) ein einheitliches Klassifizierungssystem für die Einstufung von Arten hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber zusätzlicher anthropogener Mortalität entwickelt. Über einen gestuften methodischen Ansatz wurden dabei sowohl verschiedene populationsbiologische Parameter wie die Mortalitätsrate, das maximale Lebensalter, das Alter beim Eintritt in die Reproduktion, das Reproduktionspotenzial, die Reproduktionsrate sowie Bestandsgröße und Bestandstrend der Arten als auch verschiedene naturschutzfachliche Parameter wie z. B. der Gefährdungsgrad, die Häufigkeit, der Erhaltungszustand und die nationale Verantwortlichkeit Deutschlands für die Arten berücksichtigt.
Daraus lassen sich nach einem einheitlichen und nachvollziehbaren Bewertungssystem - auch für Planungs- und Prüfungsentscheidungen - Hinweise zur Relevanz und Erheblichkeit des Verlustes einzelner Individuen ableiten. Die Differenzierung des MGI in 6 Haupt- bzw. 13 Unterklassen dient somit dazu, die Bewertung von Mortalitätsrisiken stärker zu objektivieren.
In einem nächsten Schritt wurde für alle heimischen Vogelarten jeweils das Kollisionsrisiko an Freileitungen durch Leitungsanflug, das Stromtodrisiko an Mittelspannungsleitungen, das Kollisionsrisiko an Straßen und das Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen (an Land und offshore) in einer 5-stufigen Skala von sehr gering bis sehr hoch eingestuft. Diese Bewertung basiert auf Totfundzahlen, Kenntnissen zur Biologie und zum Verhalten der Art, auf publizierten Skalierungen sowie eigenen Einschätzungen. Dieses vorhabentypspezifische Tötungsrisiko wurde dann mit der allgemeinen Mortalitätsgefährdung (MGI) der Art zu einer vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung (vMGI) aggregiert.
Darauf aufbauend wurde schließlich ein methodischer Ansatz zur Bewertung von Tötungsrisiken im Hinblick auf konkrete rechtliche Verbotstatbestände unter Berücksichtigung des konstellationsspezifischen Risikos im jeweiligen Einzelfall erarbeitet.
Dabei gehen auch die konkrete Konfliktträchtigkeit des jeweiligen Vorhabens sowie die betroffenen Individuenzahlen bzw. ihre Nutzungsfrequenz im Gefährdungsbereich des Vorhabens ein.
Der Bewertungsansatz soll die Prognose und Bewertung der Mortalität im jeweiligen Einzelfall nicht ersetzen, die differenzierten und auf naturschutzfachlichen Grundlagen beruhenden Einstufungen bieten aber einen transparenten und objektiven Bewertungsrahmen für die Bewertung von Mortalitätsrisiken in entsprechenden Prüfungen.
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4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
5. Erheblichkeitsschwelle
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
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5.03 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Verschiedene Autoren verdeutlichen, dass sich eine durch anthropogene Verkehrsverluste erhöhte Mortalität in bestimmten Konstellationen auch erheblich auf lokale (Teil-)Populationen auswirken kann.
So stellte Heinze (1990:1ff.) gravierende Verkehrsverluste für die Kreisstraße 114 fest, die zwei national bedeutsame Naturschutzgebiete schneidet. Nach seinen Angaben sterben dort jährlich schätzungsweise ca. 15-20 % der juvenilen und ca. 30 % der adulten Teich-, Sumpf- und Schilfrohrsänger (Rote Liste 2 in Nds.) den Verkehrstod. Es bestehe somit die Gefahr, dass eine einzige Autotrasse regional das Aussterben einer Vogelart herbeiführen könne.
Auch Hammerich (1993:103) stellt im gleichen Gebiet bei seiner umfangreichen Untersuchung im Auftrag des Niedersächsischen Landesverwaltungsamtes fest, dass bei den röhrichtgebundenen Arten Teich- und Sumpfrohrsänger, Rohrammer und Beutelmeise jeweils etwa ein Viertel der straßennahen Brutvogelpopulation im Straßenverkehr ums Leben kam. Von den 22 auf zwei Streckenabschnitten ermittelten Teich- und Sumpfrohrsänger-Männchen hatten offenbar nur vier Individuen den Juli überlebt. Dies bedeutet, dass in diesem Bereich 82 % aller Revierinhaber durch den Straßenverkehr getötet worden sind (ebd.:105). Die höchsten relativen Verluste treten nach seiner Auffassung i. d. R. bei den seltenen Brutvögeln des an die Straße angrenzenden Gebietes auf. Auch er kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Straßenverkehr für kleine (vielleicht auch isolierte) Brutbestände einer Vogelart unter ungünstigen Verhältnissen das Aussterben bewirken kann.
Eine Besonderheit dieser Straße ist der hohe Anteil gefährdeter Arten an den Verkehrsopfern. Von den 92 durch Verkehrstod betroffenen Brut- und Gastvogelarten waren 38 (41 %) gefährdete Arten der Roten Listen, darunter sieben vom Aussterben bedrohte Arten (Rote Liste 1) (Heinze 1990:2f.).
Straßen in so bedeutsamen Lebensräumen wie diesen Naturschutzgebieten können zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Population eines großen Gebietes führen, da sie tödliche Fallen im Sinne von 'Populationssenken' für Arten darstellen, die ihren Lebensraum nur noch in solchen scheinbaren 'Oasen' inmitten der ausgeräumten Landschaft finden (vgl. z. B. Heinze 1990:9, Mumme et al. 2000).
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4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust |
Relevanz des Wirkfaktors: |
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4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
5. Erheblichkeitsschwelle
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Jahr:
o. J. |
Seite(n):
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Qualifizierung
der Quelle:
E |
5.04 |
BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) |
Für die Frage der Erheblichkeit sind immer auch die verschiedenen Wirkprozesse kumulativ zu betrachten. Da neben der betriebsbedingten Mortalität, insbesondere bei Straßen, Schienenwegen und Flughäfen, vielfache weitere Beeinträchtigungen aufgrund der Flächeninanspruchnahme und der verschiedenen strukturellen, akustischen und optischen Störwirkungen kumulativ zu berücksichtigen sind, wird hier schnell eine hohe Beeinträchtigungsintensität erreicht.
Innerhalb von Natura 2000-Gebieten mit nach den Erhaltungszielen geschützten Vogelarten werden solche Anlagen daher häufig zu erheblichen Beeinträchtigungen führen und somit nicht oder nur über eine etwaige Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3-5 BNatSchG zu realisieren sein.
Die betriebsbedingt erhöhte Mortalität von Projekten außerhalb bzw. angrenzend an Schutzgebiete kann nur im Einzelfall beurteilt werden.
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Wiesenweihe
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5. Erheblichkeitsschwelle
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Jahr:
2016 |
Seite(n):
96ff.
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Qualifizierung
der Quelle:
A |
5.05 |
Bernotat, D. & Dierschke, V. |
Die Wiesenweihe gehört nach Bernotat & Dierschke (2016) hinsichtlich der vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung durch Kollision an Straßen als Brutvogel zu den Arten der Klasse B mit einer "hohen" Mortalitätsgefährdung. Als Gastvogel zählt sie zu den Arten der Klasse C mit einer "mittleren" Mortalitätsgefährdung.
Bearbeitung und Zitiervorschlag: siehe Impressum von FFH-VP-Info