Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten
Neuntöter - Lanius collurio
Natura 2000-Code: A 338; Bearbeitungstand: IIIWirkfaktorengruppe: | 2 Veränderung der Habitatstruktur / Nutzung |
Wirkfaktor: | 2-5 (Länger) andauernde Aufgabe habitatprägender Nutzung / Pflege |
Relevanz des Wirkfaktors: | regelmäßig relevant (2) |
Auswertekategorien:
- Empfindlichkeiten/Wirkungen (9)
- Regenerationsfähigkeit (0)
- Prognosemethoden (1)
- Relevanzschwelle (1)
- Erheblichkeitsschwelle (1)
Datensatz:
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1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
1.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Die Habitatstrukturen von nutzungsabhängigen Vogellebensräumen unterliegen bei länger andauernden Unterbrechungen habitatprägender Nutzung / Pflege von mehr als 3 Jahren in Abhängigkeit der Geschlossenheit der Vegetationsbedeckung zunehmend sukzessionsbedingten Veränderungen. Innerhalb relativ kurzer Zeit (3-5 Jahre) können Vogelarten offener Lebensraumtypen ausfallen, die mehr oder weniger offene Böden bzw. kurzrasige Vegetation für die Nahrungssuche benötigen oder gegenüber Sichtverstellung und Kammerung der Landschaft empfindlich sind. Zusammensetzung und Häufigkeitsverhältnisse von Vogelgemeinschaften verändern sich über den weiteren Verlauf der Sukzession über halboffene Vorwaldstadien zu standorttypischen Waldgesellschaften.
Die verschiedenen Sukzessionsstadien unterscheiden sich auch in der Besiedlung durch Bodenarthropoden und damit in Zusammensetzung und Dichte der Nahrungstiere von Vögeln. Während frühe Stadien v. a. von licht- und wärmeliebenden Arten und Artengemeinschaften in z. T. hoher Dichte besiedelt sind, nehmen mit zunehmender Strauchbedeckung Arten- und Individuendichten von Laufkäfern, Spinnen und Heuschrecken ab (Rotter 2006). Mit dem Verbuschungsgrad bilden sich jeweils eigene Lebensgemeinschaften, zu denen auch typische Vogelarten gehören, die dieses Nahrungsangebot nutzen.
Die geringsten Empfindlichkeiten gegenüber längerfristigen Nutzungsunterbrechungen bestehen in halboffenen Vogellebensräumen. Durch Zurücksetzen der Sukzession mit Wiederaufnahme der (lebensraumtypischen) Nutzung oder Pflegemaßnahme sind hier projektbedingte Veränderungen von Vogellebensräumen in Abhängigkeit der zeitlichen und räumlichen Dimension möglicherweise reversibel. Die längerfristige Erhaltung von typischen Lebensraumqualitäten kann u. U. durch periodische/episodische Unterbrechungen bzw. das Zurücksetzen der Sukzession gewährleistet werden.
Bodenbrütende Offenlandarten sind gegenüber länger andauernder Aufgabe oder Unterbrechung von Nutzung und Pflege oder vollständiger Aufgabe der Nutzung besonders empfindlich. In den als Grünland genutzten Offenlandgebieten werden entsprechend dem Nutzungsinteresse der Bewirtschafter i. d. R. alle Flächen gemäht oder beweidet. Bei Aufgabe der Nutzung entstehen Vegetationsbestände, die entsprechend ihrem Flächenanteil direkte Verluste von Brutmöglichkeiten v. a. für Kiebitz, Brachvogel und Uferschnepfe darstellen. Diese Flächen bieten zudem ggf. Besiedlungsmöglichkeiten und Deckung für Prädatoren. In Abhängigkeit der Lage dieser Flächen können sich durch arttypisches Verhalten zur Prädationsminderung über Barrierewirkungen weitere Lebensraumverluste für diese Arten ergeben (zu Barrierewirkungen durch strukturelle optische Reize s. Wirkfaktor 5-2). Mit Andauer und räumlicher Ausdehnung ungenutzter Bereiche von Offenlandlebensräumen nehmen jedoch artspezifisch unterschiedlich die beschriebenen Empfindlichkeiten zu, so z. B. bei der Uferschnepfe früher als bei der Bekassine.
Über die Aspekte der Nutzungsaufgabe auf landwirtschaftlichen Anbau- und Nutzungsflächen hinaus ergeben sich bei bestimmten Arten Empfindlichkeiten auch für militärische Übungsplätze und im Bereich des Bodenabbaus (vgl. Wirkfaktor 3-1).
Durch kontinuierlich fortschreitenden Bodenabbau erneuerte Strukturen wie Steilwände, Abbrüche u. ä. werden von zahlreichen z. T. seltenen und gefährdeten Vogelarten als Sekundärlebensraum besiedelt. Großräumiger Tagebaubetrieb, der in Teilflächen über Jahre ruht, bietet ungestörte vegetationsfreie, -arme Brutplätze. So entstehen z. B. in offengelassenen wechselfeuchten Frästorfflächen Schlupflebensräume für Goldregenpfeifer und Alpenstrandläufer. Aufgrund der standortbedingt nur langsam einsetzenden und fortschreitenden Sukzession gehen diese Brutmöglichkeiten erst nach langjähriger Nutzungsaufgabe verloren.
Auf militärischen Übungsplätzen schaffen und erneuern v. a. Feuer und mechanische Bodeneinwirkungen durch den Fahrbetrieb immer wieder Offenbodenpartien und hohe Grenzliniendichten und damit spezifische Habitatstrukturen z. B. für das Birkhuhn (Wübbenhorst & Prüter 2007:89). Aufgrund veränderter militärischer Anforderungen kann sich der Übungsbetrieb verringern oder ganz aufgegeben werden, so dass die typischen Habitatqualitäten verloren gehen.
Konsequenzen der andauernden Aufgabe habitatprägender Nutzungen können - abhängig vom Umfang - z. B. Verlust von Teilhabitaten, Verringerung des Bruterfolgs, Bestandsrückgang oder Beeinträchtigung bzw. Erlöschen lokaler (Teil-)Populationen sein.
1.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Der Neuntöter ist ein charakteristischer Bewohner der halboffenen, strukturreichen und extensiv genutzten Kulturlandschaft. Länger andauernde Aufgabe habitatprägender Nutzung führt in der Regel zum Lebensraumverlust und damit zum Rückgang der Art. Neuntöterhabitate sind generell eher kurzlebig, da die Stadien der Vegetationsentwicklung, die für den Neuntöter optimale Bedingungen schaffen, meist nur vorübergehend sind (z. B. Kahlschläge oder Waldverjüngungsflächen) (Donnerbaum & Wichmann 2003:3).
Das Fortschreiten der Sukzession auf nicht mehr bewirtschafteten Flächen führt langfristig zur Bewaldung und damit zu einer Entwertung als Neuntöterlebensraum (z. B. Klein 1977:93, Jakober & Stauber 1987a:39). Auch MUNVL (2007:171) sehen in der Sukzession von mageren Grünlandflächen, Brachen, Trockenrasen etc. eine Gefährdung oder Beeinträchtigung.
1.03 Vanhinsbergh, D. & Evans, A. (2002)
Die Abnahme der extensiven Beweidung ist ein Schlüsselfaktor für den Rückgang der Neuntöterbestände in Mitteleuropa. Strukturreiche Weiden erleichtern den Neuntötern die Nahrungssuche (Yosef & Grubb 1993, Schaub 1996, Vanhinsbergh 1999, alle zit. in Vanhinsbergh & Evans 2002:413). Beweidung verhindert zudem das Zuwachsen der Flächen durch Gehölze (Nieuwenhuyse & Vandekerkhove 1992, Olsson 1995, Lefranc 1997, alle zit. in Vanhinsbergh & Evans 2002:413). Die Bedeutung der Beweidung wird durch die Studie der Autoren und andere Studien gezeigt.
1.04 Gatter, W. (1996)
Der Niedergang der Neuntöterpopulation ging auch einher mit dem Greifen des Abflämmverbots, durch das Flächenverluste an geeigneten Habitaten eintraten.
1.05 Hölzinger, J. (Bearb.) (1987a)
Mit steigender Nesthöhe vermindert sich die Bruterfolgsrate. Hochwuchs führt zu einer Verringerung des Deckungsgrades wodurch der Feind- und Witterungseinfluss verstärkt wird. Überalterte Heckenstreifen können so als Nisträume bedeutungslos werden.
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Reports: aktueller Wirkfaktor aktuelle Wirkfaktorengruppe alle Wirkfaktoren
Qualifizierung der Quellen für Vogelarten
A | verallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art |
B | in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall |
C | in der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird |
D | in der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe |
E | eigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung) |
F | keine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt |
Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"
- | bislang noch nicht bearbeitet |
I | derzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden |
II | zudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden |
III | zudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden |