Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten
Wiesenschafstelze - Motacilla flava
Natura 2000-Code: A 260; Bearbeitungstand: IIIWirkfaktorengruppe: | 5 Nichtstoffliche Einwirkungen |
Wirkfaktor: | 5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht) |
Relevanz des Wirkfaktors: | regelmäßig relevant (2) |
Auswertekategorien:
- Empfindlichkeiten/Wirkungen (17)
- Regenerationsfähigkeit (0)
- Prognosemethoden (7)
- Relevanzschwelle (7)
- Erheblichkeitsschwelle (2)
Datensatz:
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3. Prognosemethoden
3.04 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Reichenbach (2003) schlägt nachfolgende Ansätze zur Bewertung der Störwirkungen von Windenergieanlagen vor:
Brutvögel:
Bei optischen Störwirkungen von Brutvögeln durch WEA wird hierfür in der Regel die Anzahl der Brutpaare ermittelt, die innerhalb derjenigen Entfernung brütet, bis zu der eine vertreibende Wirkung der Anlagen angenommen wird (vgl. Ramsauer 2002, Sprötge 2002). In anderen Modellen wird ein pauschaler Prozentwert in Abhängigkeit von der Bedeutungskategorie des betroffenen Brutgebietes angesetzt.
Die nachfolgenden Empfehlungen sollten daher als Richtschnur verwendet und ggf. regional differenziert werden. Vorteilhaft sind gestaffelte Modelle, die für bestimmte Entfernungen anteilige Funktionsminderungen der betroffenen Reviere zu Grunde legen.
1. Arten mit geringer Empfindlichkeit (z. B. viele Singvogelarten): abgesehen von den direkten Flächenverlusten sind für diese Arten keine nennenswerten Auswirkungen von Störungen durch optische Reize zu erwarten.
2. Arten mit geringer bis mittlerer Empfindlichkeit: die vorliegenden Ergebnisse zeigen klar, dass von einer vollständigen Vertreibung von Kiebitzvorkommen in Anlagennähe nicht mehr ausgegangen werden kann. Ein gewisses Maß an Beeinträchtigungen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, was auch zu der entsprechenden Empfindlichkeitseinstufung geführt hat. Es wird daher vorgeschlagen, für alle Paare innerhalb einer Entfernung von 50 m von der nächsten Anlage von einer Funktionsminderung der Hälfte ihres Territoriums und für alle Kiebitzpaare bis zu einer Entfernung von 100 m von der nächsten Anlage von einer Funktionsminderung eines Viertels ihres Territoriums auszugehen.
Auch bei Rotschenkel und Uferschnepfe kann nicht mehr von einer vollständigen Vertreibung ausgegangen werden. Aufgrund der noch gegebenen Unsicherheit bei der Empfindlichkeitseinstufung sind jedoch etwas größere Beeinträchtigungsdistanzen als beim Kiebitz anzunehmen. Es wird daher vorgeschlagen, bis zu einer Entfernung von 100 m von der nächsten Anlage von einer Funktionsminderung der Hälfte des Territoriums und bis zu einer Entfernung von 200 m von der nächsten Anlage von einer Funktionsminderung eine Viertels des Territoriums auszugehen.
Für den Großen Brachvogel ist die Einstufung ebenfalls nicht hinreichend abgesichert, es besteht jedoch eine Tendenz zu einer geringen bis mittleren Empfindlichkeit (Tab. 25).
3. Arten mit hoher Empfindlichkeit: für Arten wie z. B. Wachtel und Wachtelkönig ist innerhalb von anzunehmenden Beeinträchtigungsradien in einer Größenordnung von 200-300 m von einer Vollverdrängung auszugehen. Jedes betroffene Brutpaar (bzw. jeder über einen längeren Zeitraum anwesende Rufer) ist angesichts des hohen Raumbedarfs der beiden Arten zur Brutzeit (Flade 1994) mit einer Reviergröße von mind. 10 ha zu kompensieren. Darüber hinaus sind ggf. noch anteilige Reviere in größerer Entfernung zu kompensieren. Der Kenntnisstand bezüglich der Reaktion dieser Arten auf Windenergieanlagen ist jedoch noch so gering, dass plausible Kompensationsmodelle schwierig abzuleiten sind.
Gast-/Rastvögel: Viele Gastvogelarten zeichnen sich durch einen hohen Raumbedarf und eine mittlere bis hohe Empfindlichkeit gegenüber optischen Störreizen durch WEA aus. Legt man die entsprechenden Beeinträchtigungsradien um die Anlagen, ergeben sich daher große Flächen, die in ihrer Funktion als beeinträchtigt anzusehen sind.
3.61 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
II: Beurteilung von Störwirkungen durch menschliche Aktivitäten
Wie stark menschliche Aktivitäten zu Störungen führen können, hängt neben der artspezifischen Sensibilität von einer Vielzahl von Faktoren ab. So bedingt die Reizwirksamkeit z. T. auch das Vogelindividuum, sein Geschlecht und Fortpflanzungsstatus (z. B. Männchen oder Weibchen mit Jungen), das Vorhandensein von Artgenossen, die Lebensraumstruktur oder Jahres- und Tageszeit (Georgii 2001:37). Darüber hinaus ist die konkrete Ausprägung des Störreizes entscheidend, die von Parametern wie z. B. Größe, Art und Geschwindigkeit einer Person oder eines Objektes bestimmt wird. Ebenfalls eine Rolle spielt, wie häufig ein bestimmter Reiz gleichartig oder kanalisiert bzw. räumlich begrenzt auftritt, ob er so mit Erfahrungswerten verbunden werden und ggf. auch in einem bestimmten Umfang zu Gewöhnungseffekten führen kann.
Belegt ist für etliche Vogelarten das gänzliche Verlassen von Gebieten aufgrund von Störungen durch optische Störreize (z. B. Putzer 1983, Bell & Austin 1985, Korschgen et al. 1985, Gerhard 1994, s. auch Keller 1995). Hiermit ist dann zu rechnen, wenn Gebiete flächenhaft und andauernd gestört werden - z. B. durch ständiges Befahren von Gewässern in deren Zentrum -, so dass die Nutzung durch die betroffenen Arten stark beeinträchtigt oder unmöglich wird (Nehls & Thiel 1988).
Aber schon vor ihrer völligen Vertreibung können Verteilung und Habitatnutzung von Arten so stark beeinflusst werden, dass die Aufenthaltsgebiete der Tiere kaum oder nicht mehr mit den besten Nahrungs-, Fortpflanzungs- oder Ruheplätzen übereinstimmen, sondern primär von Verteilung und Intensität der auftretenden Störreize bestimmt werden (vgl. Ketzenberg 1993, Owen & Black 1990). Über das Meideverhalten hinaus sind negative Auswirkungen auf den Bruterfolg nachgewiesen, die z. B. beim Ziegenmelker in bis zu 225 m Wegeabstand festgestellt worden sind (Murison 2002). Ein funktionaler Verlust des Habitats ist auch dann gegeben, wenn der durch ständige Fluchtreaktionen verursachte Energieverlust nicht mehr in einem ökonomisch tragbaren Verhältnis zum Energiegewinn in verbleibenden Fresszeiten führt.
Relevante Prognoseparameter für Erschließung oder Ausbau des Wegenetzes sind Dichte des derzeitigen und zukünftigen Wegenetzes (Weglänge/qkm) sowie bekannte (geschätzte oder vor Ort ermittelte) und erwartete Nutzungsfrequenz.
3.72 Gassner, E., Winkelbrandt, A. & Bernotat, D. (2010)
Artengruppen- und artspezifische Stör- bzw. Fluchtdistanzen nach Gassner et al. (2010:191ff.)
Die Prognose der Auswirkungen muss die artspezifisch stark variierenden Störungsempfindlichkeiten berücksichtigen. Nach Gassner et al. (2010:191ff.) indizieren 'Fluchtdistanzen' die Empfindlichkeit gegenüber Störreizen wie sie u. a. durch menschliche Anwesenheit hervorgerufen werden. Unter 'Fluchtdistanz' wird die Entfernung verstanden, die, sofern sie bei einer Störung unterschritten wird, ein Vogelindividuum sowie mehr oder weniger große Gruppierungen (z. B. Rasttrupps) zur Flucht (z. B. durch Wegschleichen, Weglaufen, Wegtauchen, Auffliegen) veranlasst. Sie ist der am leichtesten messbare Parameter für eine durch Störreize verursachte Verhaltensänderung. Die Fluchtdistanz markiert eine sehr starke Störung, die von den Individuen nicht mehr toleriert werden kann. Selbst in größeren Distanzen ohne Meidung bzw. Fluchtreaktionen ergeben sich z. B. für Gänse Störwirkungen und Qualitätsminderungen der Habitate durch häufigeres Sichern und Warnen der Vögel zu Lasten des Fressverhaltens (Kruckenberg et al. 1998:172). Fluchtdistanzen werden meist für punktuelle Störungen ermittelt (Fußgänger, Radfahrer, Fahrzeug etc.).
Fluchtdistanzen variieren nicht nur von Art zu Art, sondern auch von Individuum zu Individuum sowie jahreszeitlich. Rastvögel sind häufig empfindlicher als Brutvögel, größere Schwärme sind empfindlicher als kleine und Individuen in der freien Landschaft sind i. d. R. empfindlicher als Vögel in städtischen oder suburbanen Räumen. Jungeführende Vögel reagieren teilweise auf größere Distanz als Einzelvögel, zudem reagieren Vögel in bzw. aus bejagten Bereichen (z. B. Gänse oder Enten) deutlich störungsempfindlicher als jene in bzw. aus Bereichen ohne Jagd. Grundsätzlich spielen auch die Offenheit, Weiträumigkeit bzw. Strukturiertheit des Geländes oder die Erreichbarkeit des Nestes eine Rolle. Diese vielfältigen und variierenden Faktoren erklären u. a. die zum Teil relativ unterschiedlichen Werte in der Literatur. Zudem werden in Untersuchungen zum Teil Flucht-, zum Teil Stördistanzen ermittelt sowie Spannen, Durchschnitts- oder Maximalwerte angegeben, was jeweils zu berücksichtigen ist. Für folgende Gruppen wurden besonders hohe Fluchtdistanzen ermittelt:
- Die heimischen Großvögel wie Großtrappe, Schwarzstorch und Kranich gehören zu den störungsempfindlichsten Vögeln überhaupt; eingeschränkt gilt dies auch für Reiher.
- Auch Gänse, Schwäne und Limikolen (z. B. Großer Brachvogel, Rotschenkel, Säbelschnäbler, Waldwasserläufer, Alpenstrandläufer oder Kiebitz) können - insbesondere in den Rastgebieten - als sehr störungsempfindlich bezeichnet werden.
- Wasservögel, wie z. B. Gänsesäger, Kormoran und viele Enten- sowie Taucherarten weisen ebenfalls hohe Fluchtdistanzen auf.
- Greifvögel werden aufgrund ihrer Empfindlichkeit insbesondere beim Brutgeschäft oder auch bei der Ansitzjagd leicht und noch auf große Entfernungen gestört.
- Auch die Gruppe der Raufußhühner (z. B. Birkhuhn, Haselhuhn und Auerhuhn) ist durch hohe Fluchtdistanzen gekennzeichnet.
Als relativ unempfindlich gegenüber anthropogener Störung gelten dagegen im Allgemeinen wald- oder gebüschbewohnende Kleinvögel (insbesondere außerhalb der Brutzeit).
Für die unterschiedlichen Freizeit- bzw. Sporttätigkeiten (mit verschiedenen Wasserfahrzeugen, Flugsportgeräten etc.) liegen zum Teil eigenständige Untersuchungen vor, die höhere oder aber niedrigere Fluchtdistanzen nachgewiesen haben und die nach Ansicht der Autoren im jeweils vergleichbaren Anwendungsfall heranzuziehen sind (vgl. auch die BfN-Literaturdatenbank www.natursportinfo.de).
Nach Gassner et al. (2010:191ff.) ist bei der Bewertung von Beeinträchtigungen entsprechend dem in den Rechtsinstrumenten fixierten Vorsorgeprinzip von den oberen Angaben zu den ermittelten Fluchtdistanzen auszugehen, da nachgewiesener Maßen bis zu diesen Entfernungen Beeinträchtigungen auftreten 'können'. Dies gilt auch, da die Fluchtdistanz - wie oben dargelegt - in der Skalierung von Störungen bereits eine sehr hohe Intensität abbildet. Die Autoren geben Orientierungswerte für die planerisch zu berücksichtigenden Fluchtdistanzen von Vogelarten an. Bis zu diesen Entfernungen ist bei häufiger Störung von einer signifikanten Beeinträchtigung bzw. von einem (teilweisen) Funktionsverlust des Lebensraums als Habitat für die Art auszugehen.
3.73 Gassner, E., Winkelbrandt, A. & Bernotat, D. (2010)
Die Autoren geben für die Wiesenschafstelze als Empfindlichkeit gegenüber anthropogenen Störungen 30 m als planerisch zu berücksichtigende Fluchtdistanz an.
4. Relevanzschwelle
4.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Soweit die Bestände der Art bzw. ihre Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Relevanzschwelle grundsätzlich bei jeder möglichen signifikanten Störung der Individuen bzw. ihrer (Teil-) Habitate im Gebiet überschritten.
Im Einzelfall können Störungen auch außerhalb des Gebietes zu berücksichtigen sein, sofern die betroffenen (Teil-) Habitate eine wesentliche funktionale Bedeutung für die Bestände der Art im Gebiet aufweisen.
Um eine erhebliche Beeinträchtigung durch ein Vorhaben mit der rechtlich gebotenen Sicherheit ausschließen zu können, sind i. d. R. die oberen Angaben zu Stör-, Flucht- bzw. Meidedistanzen heranzuziehen und auf die potenziell geeigneten Lebensräume im Untersuchungsgebiet zu übertragen.
Vorhaben, deren maximale Wirkzonen außerhalb der Gebiete bzw. der Habitate der geschützten Arten liegen, können i. d. R. zu keinen relevanten Störwirkungen und somit Beeinträchtigungen führen.
Für die verschiedenen Störquellen können jeweils Hinweise zu Relevanzschwellen aus den ggf. vorliegenden Grundlagenwerken abgeleitet werden.
Bei einer Einschätzung von Stördistanzen bzw. -wirkungen sind jedoch immer auch die Aktionsräume und Mobilitäten der geschützten Arten mit zu berücksichtigen (vgl. dafür ggf. Angaben unter: 'Raumbedarf und Aktionsräume von Arten').
Die nachfolgenden Datensätze sind nach den verschiedenen Grundtypen visueller Störwirkungen gegliedert:
I: Strukturbedingte Störwirkungen, v. a. durch hohe Anlagen (z. B. WEA, Freileitungen, Brücken, Gebäude) bzw. sonstige Silhouetten,
II: Störwirkungen durch menschliche Anwesenheit und Aktivitäten.
Datensatz: < zurück 21 - 25 von 33 weiter >
Reports: aktueller Wirkfaktor aktuelle Wirkfaktorengruppe alle Wirkfaktoren
Qualifizierung der Quellen für Vogelarten
A | verallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art |
B | in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall |
C | in der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird |
D | in der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe |
E | eigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung) |
F | keine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt |
Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"
- | bislang noch nicht bearbeitet |
I | derzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden |
II | zudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden |
III | zudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden |