Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten
Grauammer - Emberiza calandra
Natura 2000-Code: A 383; Bearbeitungstand: IIIWirkfaktorengruppe: | 5 Nichtstoffliche Einwirkungen |
Wirkfaktor: | 5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht) |
Relevanz des Wirkfaktors: | gegebenenfalls relevant (1) |
Auswertekategorien:
- Empfindlichkeiten/Wirkungen (12)
- Regenerationsfähigkeit (0)
- Prognosemethoden (3)
- Relevanzschwelle (0)
- Erheblichkeitsschwelle (0)
Datensatz:
< zurück
1 - 5 von 15
weiter >
1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
1.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Optische Störwirkungen können unterschiedlichste anlage-, betriebs- oder baubedingte Ursachen haben (s. auch "Vertiefende Ausführungen" unter "Wirkfaktoren"). Häufig sind die daraus resultierenden Beeinträchtigungen nicht ausschließlich optischen Reizen zuzurechnen, sondern entstehen aus einer Kombination verschiedener optischer und akustischer Wirkfaktoren (vgl. auch Wirkfaktor 5-1).
Die ebenfalls kumulativ auftretenden optischen Störwirkungen durch Straßen-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehr werden nur unter Wirkfaktor 5-1 behandelt, da bei diesen Projekttypen i. d. R. die akustischen Störwirkungen in ihrer Reichweite und Bedeutung überwiegen. Empfindlichkeiten gegenüber vorherrschend licht- bzw. beleuchtungsbedingten Effekten werden unter Wirkfaktor 5-3 beschrieben.
Vögel gelten grundsätzlich als eine gegenüber optischen Störreizen hoch empfindliche Artengruppe. Visuell wahrnehmbare Störreize können je nach Art, Frequenz, Stärke, Zeitpunkt und Dauer Beeinträchtigungen unterschiedlicher Intensität hervorrufen.
Optische Störreize können bei Vögeln Fluchtreaktionen auslösen sowie bei längerer Dauer und häufiger Wiederkehr zu Stressreaktionen und verändertem Verhalten führen. So unterscheiden Ruddock & Whitfield (2007) bei den Störwirkungen durch Menschen bzw. deren Aktivitäten Stördistanz "alert distance", bei der Verhaltensänderungen von Vögeln auftreten und Fluchtdistanz "flight inition distance", die Auffliegen oder aktives Ausweichen gegenüber der Annäherung der Störquelle auslöst. Allgemein resultieren die Auswirkungen in einer verminderten Kondition oder Fitness der Individuen. Als weitere Folgen ergeben sich Zeitverluste bei der Nahrungsaufnahme und Regeneration, wodurch die Energiebilanzen der Vögel (z. B. bei Brut, Überwinterung oder während des Vogelzugs) und schließlich auch die Entwicklungen der Populationen negativ beeinflusst werden (vgl. z. B. Belanger & Bedard 1990, Keller 1995, Kempf & Hüppop 1998, Hüppop 1993, 1995, 1999, 2001). Ebenso können sich Fluchtreaktionen brütender oder Junge führender Elterntiere über eine erhöhte Verlust- oder Prädationsrate beeinträchtigend auf die Populationsentwicklung auswirken (vgl. z. B. Kempf & Hüppop 1998). Auf optische Störwirkungen zurückzuführende Veränderungen von Aktivitätsmustern (Sell 1991) bzw. Raumnutzungen bewirken u. U. eine partielle oder vollständige Meidung von Gebieten und damit eine Verringerung der Siedlungsdichte (vgl. z. B. Putzer 1983, Keller 1995, Silva et al. 2010) oder eine verringerte Habitatnutzung in den Rast- und Überwinterungsgebieten (z. B. Schneider-Jacoby et al. 1993:1ff., Gädtgens & Frenzel 1997:191ff., Spilling et al. 1999:325ff.).
Darüber hinaus können die Empfindlichkeiten mehr oder weniger ausgeprägten Lern- und Gewöhnungseffekten unterliegen, in Abhängigkeit z. B. von der Konstanz und Berechenbarkeit der Störquellen (z. B. Wille & Bergmann 2002:293ff.), der Struktur des umgebenden Habitats oder der Dauer der Aufenthalte. Das Flucht- und Meideverhalten kann auch von anderen Faktoren wie z. B. Konkurrenzverhalten oder Witterungseinflüsse überlagert sein.
Optische Störwirkungen können unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren zu einer verringerten Überlebenswahrscheinlichkeit von Individuen, zum Verlust oder zur funktionalen Entwertung von (Teil-)Habitaten, zu reduziertem Bruterfolg, Brutpaarverlust, Bestandsrückgang oder Beeinträchtigung bzw. Erlöschen lokaler (Teil-)Populationen führen. In analoger Weise können auch bedeutsame Rast- und Überwinterungshabitate in reduzierter Weise oder gar nicht mehr genutzt - und somit aufgegeben - werden.
Weitere Ausführungen finden sich in den nachfolgenden Datensätzen, die nach den folgenden drei Grundtypen optischer Störwirkungen gegliedert sind:
I: Strukturbedingte visuelle Störwirkungen, v. a. durch hohe Anlagen (z. B. WEA, Energiefreileitungen, Brücken, Gebäude) bzw. Silhouetten,
II: Störwirkungen durch menschliche Anwesenheit und Aktivitäten sowie
III: Störwirkungen durch Bewegung und Reflektionen von Anlagen.
Bibliographien: Keller (1995), Richarz et al. (2001:350ff.).
1.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Die Relevanzeinstufung für die Art erfolgte aufgrund der Empfindlichkeit gegenüber Anwesenheit und Aktivitäten von Menschen (s. nachfolgende Datensätze). Scheuch- oder Barrierewirkungen von WEA konnten bisher nicht durch Untersuchungen belegt werden.
1.03 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
I: Strukturbedingte visuelle Störwirkungen
Strukturbedingte visuelle Störwirkungen - insbesondere auf Vogelarten offener Lebensräume - werden v. a. von hohen bzw. breiten Vertikalstrukturen bzw. 'Silhouetten' hervorgerufen. Dazu zählen z. B. Windenergieanlagen, Energiefreileitungen, Gebäude, Dämme, Brücken oder hohe Gehölzbestände.
Diese Störwirkung resultiert wahrscheinlich in erster Linie aus der von vielen Arten zur Prädationsvermeidung in Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten benötigten Offenheit, Weiträumigkeit und 'Weitsichtigkeit' der Habitate. Bei diesen Arten wird z. T. auch von 'Kulissenflüchtern' gesprochen. Durch Einhaltung von Abständen bzw. Meidung von Flächen entstehen somit maßgebliche Habitatverluste. Sofern relevante Teilhabitate durch Strukturen optisch getrennt werden, können sich als Folgewirkungen ebenfalls reduzierte Flächennutzungen ergeben.
Sofern für die Art relevant, sind die nachfolgenden Datensätze nach den unten angegebenen Hauptursachen strukturbedingter Störwirkungen gegliedert. Insbesondere zur Störwirkung von Windenergieanlagen, Energiefreileitungen sowie von Gehölzbeständen liegen vielfältige Beobachtungen und Erkenntnisse vor.
Die nachfolgenden Datensätze sind - sofern für die Art relevant - nach den verschiedenen Strukturtypen gegliedert:
A: Windenergieanlagen,
B: Energiefreileitungen,
C: Hohe Gehölzbestände,
D: Sonstige strukturbedingte visuelle Störwirkungen (z. B. Gebäude, Dämme, Brücken).
1.04 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
A: Strukturelle Störwirkungen von WEA
Windenergieanlagen (WEA) bzw. Windparks (WP) weisen neben strukturbedingten visuellen Störwirkungen durch gruppierte, Raum verstellende Anlagen zusätzlich durch Bewegung, Schattenwurf und z. T. Reflektionen ein ganzes Set an Störfaktoren auf. Relevante Empfindlichkeiten zeigen sich artspezifisch in mehr oder weniger ausgeprägtem Meideverhalten gegenüber der technischen Anlagenkulisse (Windfelder) und in Scheucheffekten bzw. Vergrämungen durch Bewegung und Schattenwurf der WEA. Aufgrund der starken artspezifischen Unterschiede werden die jeweiligen Empfindlichkeiten überwiegend in den Artsteckbriefen genauer beschrieben und mit Untersuchungsergebnissen belegt.
Im Allgemeinen sind vorrangig Scheuchwirkungen durch Bewegung und Schattenwurf von WEA wirksam, die in Abhängigkeit der räumlichen Situation in mehr oder weniger großem Umfang Habitatverluste zur Brut- und Zugzeit zur Folge haben. Neben vollständiger Meidung gestörter Flächen können sich auch verringerte Nutzungsfrequenzen oder Individuendichten auf der WP-Fläche ergeben. Darüber hinaus können sich Störreize auch auf die Reproduktion der im Umfeld von WEA brütenden Vögel auswirken. So haben Pederson & Poulsen (1991) für Kiebitze in der Nähe von WEA bei der Entwicklung der Brutbestände erst nach mehreren Jahren einen im Vergleich zum Umland deutlich verminderten Schlupf- und Bruterfolg nachgewiesen. Bisher haben sich aber erst wenige Untersuchungen mit den Auswirkungen von WEA auf den Bruterfolg befasst.
In den von Hötker et al. (2004:20ff.) zusammengetragenen und statistisch ausgewerteten Untersuchungen wurde für eine Vielzahl an Arten die Scheuchwirkung von WEA analysiert. Trotz der im Ergebnis vorhandenen großen Streuung lassen sich hiernach zumindest Tendenzen erkennen. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass nur für relativ wenige Arten eine größere Anzahl von Untersuchungen ausgewertet werden konnte. Etliche Arten sind nicht oder kaum untersucht (Hötker et al. 2004:23).
Bei der Reaktion und dem Verhalten der einzelnen Arten ist z. T. grundsätzlich zwischen Brutvögeln und Gastvögeln außerhalb der Brutzeit zu unterscheiden. Während der Brutzeit waren geringere Meidungsabstände zu erkennen als außerhalb der Brutzeit, so wurden in der Brutzeit nur ausnahmsweise Abstände von mehr als 200 m beobachtet und die Mehrzahl der Vögel hielt sich zumindest partiell auch im unmittelbaren Bereich der WEA bzw. im Randbereich des WP auf. Im Rahmen der statistischen Prüfung des ausgewerteten Datenmaterials konnte jedoch kein signifikanter Nachweis von erheblichen negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung auf die Gebietsbestände von Brutvögeln erbracht werden.
Außerhalb der Brutzeit wurden generell höhere Meideabstände festgestellt. Vögel der offenen Landschaft, also z. B. Gänse, Enten und Watvögel, aber auch Kraniche, hielten im Allgemeinen Abstände von mehreren hundert Metern zu WEA ein.
Eine generelle Tendenz der Gewöhnung an Störeffekte von WEA besteht nach den Analysen von Hötker (2004:4) offenbar nicht. Reichenbach (2003) geht (auf der Basis relativ weniger Untersuchungen und Untersuchungsgebiete) dagegen bei etlichen Arten davon aus, dass es bei Brutvögeln zu Gewöhnungseffekten kommt, wohingegen er bei Gastvögeln ebenfalls stärkere Beeinträchtigungen festgestellt hat.
Differenzierte Ausführungen zur Störwirkung von Windenergieanlagen auf Vögel, eine Zusammenstellung verschiedener Fakten und Beispiele sowie Hinweise für die Planung finden sich z. B. bei:
Sachslehner & Kollar (1997), Kruckenberg & Jaene (1999), Schreiber (2000, 2002), Bundesamt für Naturschutz (2000), Isselbächer & Isselbächer (2001a,b), Bergen (2001), Borbach-Jaene & Kruckenberg (2001), Kowallik & Borbach-Jaene (2001), Breuer & Südbeck (2002), Richarz (2002), Steffen (2002), Reichenbach (2003, 2004a,b,c), Reichenbach et al. (2004), Handke et al. (2004a,b,c,d), Traxler et al. (2004), Hötker et al. (2004, 2005), Percival (2005), Horch & Keller (2005), Niedersächsischer Landkreistag (2007), LAG-VSW (2007), LANU Schleswig Holstein (2008), European Commission (2011), Richarz (2011b), Stübing (2011), Bayerisches Staatsministerium des Innern et al. (2011), Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (2011), Niedersächsischer Landkreistag (2011, 2013), LUBW Baden-Württemberg (2012), Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg et al. (2012), Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (2012), HMUELV & HMWVL HE (2012), Richarz et al. (2012), Langston et al. (2013), Langgemach & Dürr (2013), MKULNV & LANUV NRW (2013), MELUR & LLUR SH (2013), Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) (2012/in Vorb.).
Umfassende Auswertungen zu artspezifischen Stör- / Meideabständen finden sich z. B. in:
Witte & Van Lieshout (2003), Reichenbach (2003), Hötker et al. (2004, 2005).
Spezielle Informationen zu Offshore Windenergieanlagen finden sich z. B. in:
Guillemette et al. (1998, 1999), Percival (2001), Exo et al. (2002), Hüppop et al. (2002), Dierschke et al. (2003), Hüppop & Garthe (2003), Garthe & Hüppop (2004), Garthe et al. (2004), Köppel et al. (2004), Hüppop et al. (2004, 2005a,b,c), Petersen et al. (2004), Dierschke & Garthe (2005), Petersen (2005), Petersson (2005), Merck (2005), Wahl et al. (2007), Kubetzki et al. (2011).
Sammelbände: Bundesamt für Naturschutz (2000), TU Berlin (2002), BUND (2004).
Bibliographien: Schubert (2000).
Eine Literaturdatenbank mit verschiedenen Abfrageoptionen bietet das Michael-Otto-Institut des NABU (2004) unter: http://bergenhusen.nabu.de.
1.05 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Anscheinend werden WEA von Grauammern bei der Rast oder Brut nicht gemieden (Feige 2004:61). Selbst Nahbereiche unmittelbar unter drehenden Rotoren werden aufgesucht (Sinning 2004:194).
Datensatz: < zurück 1 - 5 von 15 weiter >
Reports: aktueller Wirkfaktor aktuelle Wirkfaktorengruppe alle Wirkfaktoren
Qualifizierung der Quellen für Vogelarten
A | verallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art |
B | in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall |
C | in der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird |
D | in der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe |
E | eigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung) |
F | keine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt |
Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"
- | bislang noch nicht bearbeitet |
I | derzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden |
II | zudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden |
III | zudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden |