Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten

Schreiadler - Aquila pomaria

Natura 2000-Code: A 089; Bearbeitungstand: III

Wirkfaktorengruppe: 4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust
Wirkfaktor: 4-2 Anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust
Relevanz des Wirkfaktors:  regelmäßig relevant - besondere Intensität (3)

     Auswertekategorien:

  1. Empfindlichkeiten/Wirkungen (15)
  2. Regenerationsfähigkeit (0)
  3. Prognosemethoden (4)
  4. Relevanzschwelle (2)
  5. Erheblichkeitsschwelle (10)

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4. Relevanzschwelle

4.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Soweit die Bestände der Art bzw. ihre Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Relevanzschwelle grundsätzlich bei jeder Barrierewirkung zwischen Teilhabitaten im Gebiet überschritten. Gleiches gilt, soweit eine projektbedingt erhöhte Mortalität eintreten kann.

Innerhalb eines Schutzgebiets mit geschützten Vogelbeständen sind daher die Beeinträchtigungen durch WEA, Freileitungen, Türme/Masten, Brücken, Glasbarrieren oder andere bauliche Anlagen, die zu einer erhöhten Mortalität für die geschützten Arten führen können, prinzipiell immer relevant und auf ihre Erheblichkeit hin zu untersuchen.

Im Einzelfall gilt dies auch bei Zerschneidungswirkungen (Barriere und/oder Mortalität) zwischen dem Schutzgebiet und seiner Umgebung, wenn Hinweise auf dort vorkommende wesentliche Teillebensräume bzw. Teilbestände mit räumlich-funktionalen Beziehungen zum Gebiet vorliegen, sowie bei entsprechenden Zerschneidungswirkungen zwischen dem Schutzgebiet und anderen Schutzgebieten.

Um eine erhebliche Beeinträchtigung durch ein Vorhaben mit der rechtlich gebotenen Sicherheit ausschließen zu können, sind i. d. R. die oberen Angaben zu Habitatgrößen bzw. (regelmäßigen) Flugbeziehungen heranzuziehen und auf die potenziell geeigneten Lebensräume im Untersuchungsgebiet zu übertragen. Vorhaben, die in größerem Abstand als diesem 'Aktionsradius' geplant sind, können i. d. R. zu keinen relevanten Zerschneidungswirkungen durch Mortalität oder Barriere führen.

Literaturangaben als Orientierungswerte für Flächenansprüche und Mobilität (z. B. zu Aktionsräumen, Reviergrößen, Nestabständen, Dichten etc.) sind separat unter 'Raumbedarf und Aktionsräume von Arten' zusammengestellt.

Qualifizierung der Quelle: E



4.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Für Windenergieanlagen hat die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW 2007) in ihrem sog. "Helgoländer Papier" Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten veröffentlicht. Im Rahmen der Fortschreibung (LAG VSW 2015) wurden nun neuere Untersuchungsergebnisse und der aktuelle Stand des Wissens berücksichtigt.

In den Abstandsregelungen werden Mindestabstände (Tabubereiche) zwischen WEA und bedeutenden Vogellebensräumen bzw. Brutplätzen WEA-sensibler Arten und Artengruppen definiert, die aufgrund von Kollisionsgefahren oder des Meideverhaltens der Arten von den Autoren als notwendig erachtet werden.

Da gegenüber Europäischen Vogelschutzgebieten mit WEA-sensiblen Arten im Schutzzweck ein Mindestabstand bzw. Ausschlussbereich in 10-facher Anlagenhöhe festgelegt wurde (siehe auch unter Erheblichkeitsschwelle), ist diese Entfernung zugleich das Mindestmaß für eine gebietsbezogene Relevanzschwelle.

Für gegenüber WEA sensible Vogelarten wurden zudem artspezifische Prüfbereiche um WEA definiert, die zwischen 3 und 6 km liegen und innerhalb derer das Vorkommen regelmäßig genutzter Nahrungshabitate, Schlafplätze oder anderer wichtiger Habitate zu prüfen ist.

Darüber hinaus sind u. a. auch Hauptflugkorridore zwischen Schlaf- und Nahrungsplätzen und überregional bedeutsame Zugkonzentrationskorridore freizuhalten.

Bei Gastvogellebensräumen insbesondere von landesweiter Bedeutung und regelmäßig genutzten Schlafplätzen bestimmter Arten werden ebenfalls bestimmte Mindestabstände zu WEA oder andere Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen als fachlich erforderlich angesehen (vgl. z. B. auch LANU Schleswig-Holstein 2008:9ff., NLT 2013:9f., LAG VSW 2015:3ff., TLUG 2017:37ff., UM BW & LUBW 2021:92ff.).

Qualifizierung der Quelle: E


5. Erheblichkeitsschwelle

5.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Die Beeinträchtigungsintensität resultiert einerseits aus der artspezifischen Empfindlichkeit und andererseits aus der Intensität der Barrierewirkung bzw. Mortalität. Unterschiedliche Intensitäten können auch auf die funktionale Differenzierung verschiedener betroffener Teilhabitate zurückgehen.

Die absolute und relative Dimension der Barriere- oder Fallenwirkung sind wesentliche Größen der Beurteilung. Hierbei ist der Bezug sowohl zur (Teil-)Habitatfläche wie auch zu Größenordnungen bzw. Anteilen betroffener Individuen herzustellen.

Wichtig für die Erheblichkeitsbeurteilung sind zudem die funktionale Bedeutung der einzelnen betroffenen Flächen bzw. räumlich-funktionalen Beziehungen sowie die zeitliche Dimension der Beeinträchtigung (Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer).

Soweit die Bestände der Art und ihre Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Erheblichkeitsschwelle grundsätzlich bei jeder signifikanten Barrierewirkung zwischen Teilhabitaten im Gebiet überschritten. Im Einzelfall gilt dies auch zwischen dem Schutzgebiet und seiner Umgebung bzw. zwischen verschiedenen Schutzgebieten, sofern hierbei maßgebliche räumlich-funktionale Beziehungen signifikant beeinträchtigt werden.

Für die Bewertung einer projektbedingt erhöhten Mortalität sind verschiedene artspezifische und populationsbezogene Parameter einzubeziehen. Dazu zählen die natürliche Reproduktionsrate und Sterblichkeit, durchschnittliches Lebensalter der Tiere, Bestandsgrößen und allgemeine Gefährdungssituation.

Kahlert et al. (2005:49f.) kommen zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich eine hohe jährliche Überlebensrate erwachsener Tiere (>0.7 auf einer Skala von 0 bis 1) mit einer niedrigen Reproduktionsrate korreliert ist (Gelegegröße 1-4). Viele Großvögel, insbesondere Greifvögel, Watvögel, aber z. T. auch Wasservögel haben diese artspezifischen Populationskennzeichen und sind daher grundsätzlich gegenüber einer erhöhten anthropogenen Mortalität anfälliger und können die Verluste schlechter ausgleichen. Im Gegensatz dazu haben die meisten Singvogelarten niedrige jährliche Überlebensraten erwachsener Vögel, aber eine hohe Reproduktionsrate. Daher ist diese Gruppe weniger anfällig gegenüber zusätzlich erhöhter, zeitlich begrenzt wirkender Mortalität und hat das Potenzial sich von Populationsabnahmen relativ schnell zu erholen.

Tendenziell sind Arten mit hoher Lebenserwartung und geringerer Reproduktionsrate (K-Strategen) und/oder geringeren Beständen im Schutzgebiet bzw. einer Gefährdungseinstufung und ohnehin negativer Populationsentwicklung stärker beeinträchtigt als Arten mit geringer Lebenserwartung und hoher Reproduktionsrate (r-Strategen) und/oder großen Beständen im Schutzgebiet bzw. einer allgemein weiten Verbreitung und fehlenden Gefährdung in Deutschland (vgl. auch Hötker et al. 2004:48, Lambrecht et al. 2004b:332, Hüppop et al. 2005a, Kahlert et al. 2005:49, Horch & Keller 2005:18, Bernotat & Dierschke 2016/2021).

Bei Arten der ersten Kategorie kann bereits der Verlust von Einzelindividuen zu Konsequenzen für eine örtliche Population führen (vgl. z. B. auch Gill et al. 1996, Percival 2000, Reichenbach 2003:135, Horch & Keller 2005:19f., Percival 2005:197, Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein 2008:21) und daher ggf. als erheblich eingestuft werden.

Qualifizierung der Quelle: E



5.02 Bernotat, D. & Dierschke, V. (2021a)

Bernotat & Dierschke (2016/2021) haben mit dem sog. Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI) ein einheitliches Klassifizierungssystem für die Einstufung von Arten hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit gegenüber zusätzlicher anthropogener Mortalität entwickelt. Über einen gestuften methodischen Ansatz wurden dabei sowohl verschiedene populationsbiologische Parameter wie die Mortalitätsrate, das maximale Lebensalter, das Alter beim Eintritt in die Reproduktion, das Reproduktionspotenzial, die Reproduktionsrate sowie Bestandsgröße und Bestandstrend der Arten als auch verschiedene naturschutzfachliche Parameter wie z. B. der Gefährdungsgrad, die Häufigkeit, der Erhaltungszustand und die nationale Verantwortlichkeit Deutschlands für die Arten berücksichtigt.

Daraus lassen sich nach einem einheitlichen und nachvollziehbaren Bewertungssystem - auch für Planungs- und Prüfungsentscheidungen - Hinweise zur Relevanz und Erheblichkeit des Verlustes einzelner Individuen ableiten. Die Differenzierung des MGI in 6 Haupt- bzw. 13 Unterklassen dient somit dazu, die Bewertung von Mortalitätsrisiken stärker zu objektivieren.

In einem nächsten Schritt wurde für alle heimischen Vogelarten jeweils das Kollisionsrisiko an Freileitungen durch Leitungsanflug, das Stromtodrisiko an Mittelspannungsleitungen, das Kollisionsrisiko an Straßen und das Kollisionsrisiko an Windenergieanlagen (an Land und offshore) in einer 5-stufigen Skala von sehr gering bis sehr hoch eingestuft. Diese Bewertung basiert auf Totfundzahlen, Kenntnissen zur Biologie und zum Verhalten der Art, auf publizierten Skalierungen sowie eigenen Einschätzungen. Dieses vorhabentypspezifische Tötungsrisiko wurde dann mit der allgemeinen Mortalitätsgefährdung (MGI) der Art zu einer vorhabentypspezifischen Mortalitätsgefährdung (vMGI) aggregiert.

Darauf aufbauend wurde schließlich ein methodischer Ansatz zur Bewertung von Tötungsrisiken im Hinblick auf konkrete rechtliche Verbotstatbestände unter Berücksichtigung des konstellationsspezifischen Risikos im jeweiligen Einzelfall erarbeitet.
Dabei gehen auch die konkrete Konfliktträchtigkeit des jeweiligen Vorhabens sowie die betroffenen Individuenzahlen bzw. ihre Nutzungsfrequenz im Gefährdungsbereich des Vorhabens ein. Dies wurde über vorhabentypspezifische Arbeitshilfen weiter konkretisiert.

Der Bewertungsansatz soll die Prognose und Bewertung der Mortalität im jeweiligen Einzelfall nicht ersetzen, die differenzierten und auf naturschutzfachlichen Grundlagen beruhenden Einstufungen bieten aber einen transparenten und objektiven Bewertungsrahmen für die Bewertung von Mortalitätsrisiken in entsprechenden Prüfungen.

Qualifizierung der Quelle: E



5.03 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Für die Frage der Erheblichkeit sind immer auch die verschiedenen Wirkprozesse kumulativ zu betrachten. Da neben der anlagebedingten Mortalität, insbesondere bei Freileitungen, Türmen/Masten und Brücken, und der betriebsbedingten Mortalität bei WEA vielfache weitere Beeinträchtigungen aufgrund der Flächeninanspruchnahme und der verschiedenen strukturellen, akustischen und optischen Störwirkungen kumulativ zu berücksichtigen sind, wird hier schnell eine hohe Beeinträchtigungsintensität erreicht (Masden et al. 2010).

Innerhalb von Natura 2000-Gebieten mit nach den Erhaltungszielen geschützten Vogelarten werden solche Anlagen daher häufig zu erheblichen Beeinträchtigungen führen und somit nicht oder nur über eine etwaige Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3-5 BNatSchG zu realisieren sein.

Sossinka & Ballasus (1997:22) kommen zu dem Ergebnis, dass die Errichtung von Freileitungen aufgrund ihrer vielfältigen nachteiligen Effekte in Schutzgebieten den jeweiligen Schutzzielen zuwiderlaufen dürfte.

Hüppop et al. (2005c:200) sind der Auffassung, dass Gebiete, die im Hinblick auf Vögel besonders geschützt sind (z. B. Nationalparke, Naturschutzgebiete, benannte oder faktische Vogelschutzgebiete), für die Errichtung von Windenergieanlagen aufgrund deren vielfältigen Beeinträchtigungsformen ausscheiden.

Auch das BfN (vgl. BfN 2000:25ff.) betrachtet daher Natura 2000-Gebiete und Gebiete vergleichbarer Schutzbedürftigkeit aufgrund ihrer Schutzziele i. d. R. als Ausschlussgebiete für WEA. Dies deckt sich auch mit verschiedenen Regelungen der Bundesländer, in denen entsprechende Gebiete als Ausschlussflächen für WEA definiert sind.

In den Regelungen der Bundesländer sind zudem häufig zusätzlich Abstandsempfehlungen für WEA bzw. hohe Bauwerke zum Schutz bedeutender Vogellebensräume und Schutzgebiete vorgegeben. Die geforderten Abstände bzw. Pufferzonen reichen dabei meist zwischen 200 und 1.200 m. Für besonders empfindliche und/oder gefährdete Arten sind allerdings z. T. auch Abstände zwischen 1 km und 6 km vorgesehen.

Die Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW 2015) hat im Sinne einer Fachkonvention Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen besonders störungsempfindlicher oder durch Windenergieanlagen besonders kollisionsgefährdeter Vogelarten veröffentlicht, in der u. a. als Ausschlussbereich ein Mindestabstand in 10-facher Anlagenhöhe definiert wird (s. nachfolgende Datensätze).

Sollte dennoch geplant - und raumordnerisch zulässig - sein, eine WEA in oder angrenzend an einem europäischen Schutzgebiet zu errichten, müsste im Rahmen einer differenzierten FFH-VP mit entsprechenden ökologischen Gutachten nachgewiesen werden, dass entgegen der grundsätzlichen Indizien im konkreten Fall erhebliche Beeinträchtigungen mit Sicherheit auszuschließen sind.

Qualifizierung der Quelle: E



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Reports: aktueller Wirkfaktor   aktuelle Wirkfaktorengruppe   alle Wirkfaktoren
 

Qualifizierung der Quellen für Vogelarten

Averallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art
Bin der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall
Cin der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird
Din der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe
Eeigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung)
Fkeine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt

Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"

-bislang noch nicht bearbeitet
Iderzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden
IIzudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden
IIIzudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden
ihre meinung

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dirk.bernotat@bfn.de