Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten
Schwarzkopfmöwe - Larus melanocephalus
Natura 2000-Code: A 176; Bearbeitungstand: IIIWirkfaktorengruppe: | 6 Stoffliche Einwirkungen |
Wirkfaktor: | 6-3 Schwermetalle |
Relevanz des Wirkfaktors: | gegebenenfalls relevant (1) |
Auswertekategorien:
- Empfindlichkeiten/Wirkungen (3)
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1. Empfindlichkeiten/Wirkungen
1.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
Schwermetallkontaminationen stellen insbesondere für Vogelarten im höheren Trophieniveau wie Eulen, Greifvögel und Seevögel ein besonderes Problem dar. Ihre exponierte Stellung am Ende der Nahrungskette bedingt hohe Akkumulationsraten. Aber auch die Aufnahme von Aas, Aufbrüchen oder kranken Beutetieren kann zu einer erheblichen Belastung mit Schwermetallen führen. Eine besondere Bedeutung ergibt sich aus der hohen Toxizität dieser Stoffgruppe. Die Empfindlichkeit gegenüber verschiedenen Schwermetallen variiert sowohl zwischen den Vogelarten, wie auch individuell. Auch für Singvogelarten (Gorissen et al. 2005, Scheifler et al. 2006) und Gänse (Mateo 2009) können Schwermetallvergiftungen relevant sein.
Als Langzeitwirkungen von Luftverschmutzungen im Einwirkungsbereich von Metallverhüttungen in Finnland wurden von Eeva et al. (2002:234f.) Schwermetallkontaminationen als Ursache für den Bestandsrückgang von Vogelarten festgestellt. Dichteabnahmen wurden für Arten dokumentiert, die sich spezifischen nahrungsökologischen, der Aufnahme kontaminierter Nahrung besonders exponierten Gruppen zuordnen ließen. Subakute Vergiftungen wirken sich äußerlich sichtbar als Abmagerung, Verhaltensänderungen wie z. B. Verlust der Scheu vor Menschen oder als Muskelverkrampfungen aus (Bezzel & Fünfstück 1995).
Für Vögel sind sowohl akute wie auch chronische Vergiftungen mit den Schwermetallen Blei und Quecksilber besonders relevant (s. nachfolgende Datensätze). Diese potenziell toxischen Schwermetalle werden durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe, Müllverbrennung, Industrie und Verkehr freigesetzt. Die Verwendung von Quecksilber als Saatgutbeizmittel (Becker 2003) führte zu Verlusten bei Saatkrähen und Seeadlern (Oehme 1981). Durch gesetzliche Reglementierungen sind inzwischen einige der größten Belastungsquellen der relevanten Schwermetalle wie z. B. quecksilberhaltige Saatgutbeizmittel in der landwirtschaftlichen Produktion ausgeschlossen. Ihre industrielle und pharmazeutische Verwendung ist insgesamt eingeschränkt und weiter rückläufig. Dementsprechend konnte auch für zahlreiche Arten und Artengruppen (zuletzt bei den Seevögeln) bei räumlichen Unterschieden seit den 1990er Jahren - von einem toxikologisch kritischen Niveau ausgehend - ein Rückgang der Kontamination festgestellt werden (z. B. Becker & Muñoz Cifuentes 2004).
Beim Blei ergibt sich eine andere Situation. Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass Bleischrote bei der Jagd auf Wasservögel aus Flinten verschossen zu Bleivergiftungen führen. Insbesondere gründelnde, aber auch tauchende Enten nehmen die Bleischrote als Magensteinchen auf oder verwechseln sie mit Pflanzensamen. Zur Reduktion dieser Form von Bleivergiftungen hat Deutschland das "African-Eurasian Waterbird Agreement" (AEWA) unterzeichnet. Bisher haben aber nur ca. die Hälfte der Bundesländer entsprechende Korrekturen zum Verbot von bleihaltiger Schrotmunition für die Jagd auf Wasservögel in ihr Landesjagdgesetz übernommen.
Für den Bereich Brandenburg und Berlin wurden beispielsweise im Rahmen der Untersuchungen von Belastungen bei Greifvögeln und Eulen die höchsten Median- und Maximalwerte für Quecksilber in Organproben von Fisch- und Seeadlern sowie Habichten analysiert. Auffallend hohe Bleiwerte lagen nur für Seeadler vor. Bei Cadmium hatten Rotmilane, Mäusebussarde und Sperber die höchsten Medianwerte. Zinkkonzentrationen lagen unterhalb der Werte, die bei Vögeln mit Zinkintoxikationen nachgewiesen wurden. Wie bei der Belastungssituation durch Zink waren auch die Cadmiumwerte ohne toxikologische Relevanz (Kenntner et al. 2006).
Differenzierte Ausführungen zur Belastungssituation von Vögeln und deren Lebensräumen mit Schwermetallen sowie zu den möglichen Auswirkungen finden sich z. B. bei:
Weber et al. (1998), Becker (2001), Kenntner et al. (2004), Langgemach et al. (2006), Watson et al. (2009), Beyer et al. (2011).
Konsequenzen einer erhöhten Schwermetallbelastung können - abhängig vom Umfang - z. B. Verringerung des Bruterfolgs bzw. der Überlebenswahrscheinlichkeit von Individuen, Brutpaarverlust, Bestandsrückgang oder Beeinträchtigung bzw. Erlöschen lokaler (Teil-) Populationen sein.
1.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
A: Beeinträchtigungen durch Blei
Die toxikologische Relevanz von Blei als Umweltschadstoff aus Industrie-Emissionen wird aktuell als eher gering eingeschätzt (Langgemach et al. 2006:320f.). Altlasten sind jedoch immer noch in Hausmülldeponien, im Umfeld von Schießsportanlagen und an Straßenrändern. Entlang von Straßen wurden sowohl bei Insekten, Kleinsäugern als auch in Organen und Federn von verschiedenen Vogelarten erhöhte Bleikonzentrationen festgestellt, die jedoch unterhalb des toxischen Niveaus blieben (Reijnen & Foppen 1991:29, Demuth & Streit 1989:615).
Auch im Sediment von Flüssen, Seen und Meeren ist mehr oder weniger biologisch verfügbares Kontaminationspotenzial vorhanden. Reaktivierungen dieser Belastungsquellen ergeben sich auf natürlichen Wegen durch Sturmflut- und Tidedynamik, aber auch z. B. bei Ausbau, Vertiefung und Ausbaggerungen von Fahrrinnen sowie bei der Entschlammung von Hafenbecken.
Ein akutes Problem stellen Vergiftungen durch Bleimunition aus der Jagd dar. Die Kontamination erfolgt direkt über die Aufnahme von nach Nahrung gründelnden und tauchenden Wasservögeln (z.B. Mateo et al. 1997, 1998, 2000) oder als sekundäre Vergiftung von Greifvögeln durch die Erbeutung angeschossener Tiere sowie die Aufnahme von bleihaltigem Wildaufbruch. Aufgrund von erheblichen Todesfällen durch Bleivergiftungen bei Seeadlern ist die bleihaltige Büchsenmunition in den Fokus der Kritik geraten. Da alle bleihaltigen Büchsengeschosse eine Partikelwolke aus Bleifragmenten im erlegten Wildtier hinterlassen und Aufbrüche oder verendete beschossene Tiere eine wichtige Nahrungsquelle für Aasfresser darstellen, gelangt das Blei in die Nahrungskette von Greifvögeln (Krone 2008, 2011).
Unter den Greifvogelarten wurden für Seeadler die mit Abstand höchsten Empfindlichkeiten festgestellt. Bereits bei Bleiblutwerten von >1,2 ppm werden i. d. R. ausgeprägte Symptome entwickelt. Bei den Adlern äußern sich Bleivergiftungen in Apathie, Erbrechen, Anämie, Spasmen und zentralnervösen Ausfallerscheinungen bis hin zum qualvollen Tod. Nicht selten kollidieren vergiftete Individuen aufgrund von Reaktions- und Koordinationsstörungen mit Zügen oder anderen Hindernissen (Langgemach et al. 2006).
Letale, auf die Gämsenbejagung zurückzuführende Bleivergiftungen wurden z. B. bei Steinadlern (Bezzel & Fünfstück 1995) festgestellt. Auch bei Rohrweihen konnten in Spanien erhöhte Mortalität und geringere Reproduktion auf Bleivergiftungen zurückgeführt werden. Ansteigende Bleigehalte im Blut ließen sich bei den untersuchten Populationen mit der Jagdsaison in Verbindung bringen (Pain et al. 1997a:4f., Mateo et al. 1999:439).
Eine Übersicht über das Ausmaß der Bleivergiftungen bei Vögeln in Europa gibt Mateo (2006, 2009). Er listet neben 17 Greifvogelarten, auch die Stockente, Spießente, Tafelente, Weißkopfruderente, das Rothuhn, Rebhuhn, den Fasan und die Ringeltaube auf, die von Bleivergiftungen betroffen sind. Bleivergiftungen sind weltweit bei mindestens 23 Greifvogel- und Eulenarten, v. a. bei Aas fressenden Arten beschrieben (Kenntner et al. 2004, Langgemach et al. 2006, Pain et al. 2009).
1.03 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)
B: Beeinträchtigungen durch Quecksilber
Quecksilber wird über metallorganische Verbindungen wie die unter Wirkfaktor 6-2 beschriebene Stoffgruppe von Umweltchemikalien im Organismus über die Nahrungskette angereichert. Jedoch lassen sich die Rückstandsverhältnisse dieses Schwermetalls nach Feststellungen von Heidmann et al. (1987) nicht so eindeutig mit den trophischen Positionen der Arten erklären wie bei den organischen Umweltschadstoffen. Anscheinend werden diese Beziehungen von Aufenthalten in stärker belasteten Herkunftsgebieten bzw. Hauptnahrungsgebieten der Individuen überlagert. Quecksilberkontaminationen können anders als bei organischen Umweltschadstoffen auch bei phytophagen Vogelarten ein hohes Niveau erreichen (Scherner 1982:22). Im aquatischen Nahrungsnetz sind fischfressende Arten höher kontaminiert (Becker 2003, Becker et al. 1985b, 1991, Mattig et al. 2000).
Charakteristisch für akute Quecksilbervergiftungen von Vögeln sind neurotoxische Wirkungen und ihr schleichender Verlauf bei ausgeprägten Latenzzeiten. Eine besondere Empfindlichkeit besteht bei embryonalen Organismen mit der Gefahr genetischer Schäden durch Chromosomenaufbrüche. Chronische subletale Quecksilbervergiftungen machen sich z. B. als Veränderungen von Verhaltensweisen bei Vögeln bemerkbar, die auf degenerative Veränderungen des Nervensystems zurückzuführen sind (Oehme 1981:360ff.). So wurde bei einem Silberreiher eine Störung von Muskelabläufen (Ataxie) und bei einer Stockente erhöhte Angstreaktion, infolge von Methyl-Quecksilber-Belastung festgestellt (Bouton et al. 1999 und Heinz 1979, zit. in Clotfelter et al. 2004).
Thompson (1996, zit. in Pain et al. 1999:65) weist darüber hinaus auf die Einschränkung der Fortpflanzungsrate bzw. des Schlupferfolges bei Eiern von Merlinen (Falco columbarius) hin, deren Quecksilberbelastung 3 ppm überschritt. Die in den 1980er Jahren am Elbeästuar bei Flussseeschwalbeneiern mit 7 mg/kg gemessene Belastung von Quecksilber (Becker 1994) gehörte zu den höchsten international gefundenen Werten, führte aber nicht zu vermindertem Schlüpferfolg (Becker et al. 1993).
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Reports: aktueller Wirkfaktor aktuelle Wirkfaktorengruppe alle Wirkfaktoren
Qualifizierung der Quellen für Vogelarten
A | verallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art |
B | in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall |
C | in der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird |
D | in der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe |
E | eigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung) |
F | keine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt |
Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"
- | bislang noch nicht bearbeitet |
I | derzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden |
II | zudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden |
III | zudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden |