Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten

Raubseeschwalbe - Sterna caspia

Natura 2000-Code: A 190; Bearbeitungstand: III

Wirkfaktorengruppe: 8 Gezielte Beeinflussung von Arten und Organismen
Wirkfaktor: 8-2 Förderung / Ausbreitung gebietsfremder Arten
Relevanz des Wirkfaktors:  regelmäßig relevant (2)

     Auswertekategorien:

  1. Empfindlichkeiten/Wirkungen (3)
  2. Regenerationsfähigkeit (0)
  3. Prognosemethoden (1)
  4. Relevanzschwelle (1)
  5. Erheblichkeitsschwelle (1)

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1. Empfindlichkeiten/Wirkungen

1.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Die Einführung, Förderung und Ausbreitung gebietsfremder Tierarten kann über Konkurrenz oder Prädation Auswirkungen auf Vogelpopulationen haben. Über direkte Einwirkungen hinaus können Ausbreitung oder gezielte Förderung gebietsfremder Pflanzenarten u. U. Habitatstrukturen und -qualitäten von Vogellebensräumen beeinträchtigen. Folgewirkungen stellen sich besonders problematisch dar, wenn es sich bei den Neobiota um invasive Arten handelt. Invasive Tier- und Pflanzenarten, die mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme in kurzer Zeit beeinträchtigen und daher der biologischen Vielfalt schaden können, werden von der Europäischen Union (2019) im Rahmen von Durchführungsverordnungen benannt und fortlaufend aktualisiert.

Häufig sind Ausbreitungen gebietsfremder Tierarten Begleiterscheinungen von Haltung und Zucht, aus der diese Tiere entkommen sind und sich erfolgreich ausbreiten konnten. Neozoen wie z. B. Waschbär (Review in Bartoszewicz 2006), Marderhund (Review in Kowalczyk 2006), Frettchen (Zuchtform des Iltis) oder Mink (Macdonald & Harrington 2003, Moore et al. 2003) können als Prädatoren eine zusätzliche Gefährdung der Bestandssituation seltener Vogelarten darstellen. So konnte Kelm (2008:36) Beeinträchtigungen von Seeadlerbruten durch Waschbären nachweisen, die besetzte Horste übernahmen und als Tageseinstand nutzten. In Natura 2000-Gebieten ergeben sich u.U. Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele, die Schutzmaßnahmen erfordern.

Wanderratten (z. B. Lovegrove 1996, Major et al. 2006), Hausratten (z. B. Norman 1975, Penloup et al. 1997, Seto & Conant 1996, Thibault 1995), verwilderte Hauskatzen (z. B. Bonnaud et al. 2007, Hughes et al. 2007, Kawakami & Fujita 2004, MacLean et al. 2008) oder auch Hausmäuse (z. B. Wanless et al. 2007, Angel et al. 2009) haben häufig Einfluss auf Vögel durch Prädation.

In Konkurrenzsituationen können eingeführte gebietsfremde Arten auch Einfluss auf die Entwicklung der Körpergröße und damit auf die Morphologie von heimischen Arten haben. Hintergrund sind z. B. Habitatwechsel in weniger geeignete, aber prädatorenärmere Rückzugsgebiete. Gleiche Langzeiteffekte können sich infolge der Jagd durch den Menschen ergeben. Selektion nach Größe und, damit verbunden, durch Jagd/Prädation in fruchtbaren Lebensräumen, kann sich über Generationen sogar dahingehend auswirken, dass in der Systematik von verschiedenen Arten ausgegangen wird (Theuerkauf & Roman 2018).

Die Nilgans kann als invasive Art zu einer interspezifischen Konkurrenz für Nachnutzer von Greifvogelnestern heimischer Arten werden (van Dijk 1997). Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bei dieser Art auch eine natürliche Ausbreitung möglich erscheint, womit die Konkurrenzsituation ein natürliches Phänomen wäre (Adolphi 2019).

Vergleichbare Sachverhalte können sich auch bei heimischen Arten wie Igeln oder Marderartigen ergeben. In Gebiete eingeschleppt, die von diesen Arten ursprünglich nicht besiedelt waren, dezimieren sie als gebietsfremde Arten z. B. auf den Nord- und Ostseeinseln den Bruterfolg von koloniebrütenden Küstenvögeln (Langgemach & Bellebaum 2005, BIOS 2007). Insbesondere dann ergibt sich ein dringender und konsequenter Handlungsbedarf.

Einführung, Förderung und Ausbreitung gebietsfremder Pflanzenarten können Habitatstrukturen von Vogellebensräumen und deren Nahrungsangebot nachhaltig verändern. So haben z. B. Untersuchungen von Müller et al. (1994) gezeigt, dass der großflächige Anbau fremdländischer Baumarten zumindest Auswirkungen auf die Siedlungsdichte von Brutvögeln haben kann. Im Vergleich der Besiedlung von Fichten- und Douglasienbeständen zeigte sich eine etwa um die Hälfte geringere Gesamtzahl aller Reviere. Als Hauptursache wird die eingeschränkte Eignung als Lebensraum für heimische Insekten und das daraus resultierende geringere Nahrungsangebot in Douglasienbeständen aufgrund der Verdunkelung des Bestandes diskutiert. Beim Umgang mit den Folgen des Klimawandels wird in Wirtschaftsforsten bei der Suche nach geeigneten Baumarten z.T. verstärkt auf Douglasien, Küstentannen und Roteichen gesetzt. Der Einsatz fremdländischer Baumarten in der forstlichen Intensivierungspraxis ist jedoch naturschutzfachlich i. d. R. kritisch zu bewerten und auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zu überprüfen (s. Wirkfaktor 2-3).

Vorrangig strukturelle Auswirkungen sind bei der Späten Traubenkirsche Prunus serotina problematisch, die auf Sandmagerrasen, Heiden und Dünen aufgrund der großen Trockenresistenz schnell die Sukzession zu Wald einleitet (Kowarik 2003), so dass die Habitatstrukturen dieser offenen Lebensraumtypen für daran angepasste Vogelarten verloren gehen können.

Mehr als die Hälfte der invasiven wildlebenden Wirbeltiere in Deutschland wird durch den Klimawandel gefördert (Nehring et al. 2015). Die Autoren gehen für die Zukunft von einer weiteren Verstärkung der Ausbreitungsdynamik dieser Arten aus. Innerhalb dieser Entwicklung werde die mehr oder weniger enge Bindung wärmeliebender Neozoen an menschliche Ballungsräume (Invasions-Hotspots) schwächer und zunehmend würden auch ländliche Räume besiedelt.

Eine Übersicht zum Umgang mit invasiven Arten sowie Aufsätze zu Grundlagen (Heger & Trepl 2008, Klingenstein & Otto 2008, Köck 2008), Strategien (Alberternst et al. 2008), Konzepten (Gigon 2008) und Instrumenten rechtlicher und fachlicher Art (Essl et al. 2008, Kowarik 2008) wurde von Klingenstein & Böhmer (2008) zusammengestellt.

Weitere Informationen zu invasiven Neozoen und Neophyten unter:
http://www.neozoa.de/ (zuletzt aufgerufen am 19.11.2021) beschränkt sich auf die Situation des Makrozoobenthos;
http://www.neobiota.de/, die vollständigen Steckbriefe der invasiven und potenziell invasiven Vogelarten sowie Informationen zu allen anderen gebietsfremden Vogelarten sind in den BfN-Skripten 409 (Nehring et al. 2015) verfügbar;
http://neobiota.info/Downloads.php, Downloads und Links zu deutsch- und englischsprachigen Webseiten sowie zu Infomaterial der Bundes- und Landesbehörden (zuletzt aufgerufen am 19.11.2021);
Von der Invasive Species Specialist Group (ISSG) der IUCN Species Survival Commission wird die Nutzung einer Datenbank angeboten, die Informationen zu Ökologie und Verbreitung der Arten, zum Management, ökologischen Auswirkungen und sehr ausführlich weiterführende Links und weiterführende Publikationen zusammenstellt:
http://www.issg.org/database/welcome/ (zuletzt aufgerufen am 19.11.2021).

Qualifizierung der Quelle: E



1.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Erschließung ursprünglich abgeschirmter, unzugänglicher Lebensräume durch Deichbau und andere Küstenschutzmaßnahmen haben zu einer Zunahme generalistischer Prädatoren wie dem Fuchs geführt, die dadurch einen stärkeren Einfluss auf die Populationsentwicklung der Raubseeschwalbe haben können.

Qualifizierung der Quelle: E



1.03 Ellmauer, T. (Hrsg.) (2005)

Als einer der Gründe für den Rückgang der Brutbestände in der Ostsee in den letzten drei Jahrzehnten von 2.200 Paaren im Jahr 1971 auf 1.500 Paare im Jahr 1992 wird die Einführung des Amerikanischen Minks (Mustela vison) genannt.

Qualifizierung der Quelle: A


3. Prognosemethoden

3.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

I. d. R. erfolgt die Wirkungsbeurteilung durch Überlagerung der vom Projekt entsprechend beeinflussten Flächen mit allen nach den Erhaltungszielen zu bewahrenden bzw. zu entwickelnden (Teil-) Habitaten. Die betroffenen Habitate bzw. Habitatstrukturen sind hinsichtlich ihrer längerfristigen Entwicklung und der qualitativen Abweichung zu bewerten. Soweit erforderlich, sind unterschiedliche Teilhabitate der Art in der Prognose differenziert zu betrachten. Dabei sind zum einen die absoluten Habitatverluste bzw. -verschlechterungen (qm/ha) sowie die relativen (%) bezogen auf den Gesamtbestand im Gebiet bzw. die funktional zusammengehörenden Habitate der Art zu ermitteln bzw. abzuschätzen.

Darauf aufbauend sind die qualitativen und quantitativen Funktionsverluste für die betroffenen Individuen bzw. (Teil-)Bestände zu beurteilen. Soweit möglich, ist die Prognose durch Vergleich mit standörtlich und strukturell ähnlichen Habitaten bzw. solchen, die bereits entsprechenden Veränderungen unterlagen, abzusichern.

Im Einzelfall können auch Flächen außerhalb des Gebietes zu berücksichtigen sein, sofern die betroffenen (Teil-)Habitate eine wesentliche funktionale Bedeutung für die im Gebiet vorkommenden Bestände der Art aufweisen.

Etwaige kumulative Wirkungen additiver oder synergistischer Art durch andere Wirkfaktoren des Projekts/Plans oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten/Plänen sind zu berücksichtigen.

Im Einzelfall können aus Gründen der Prognosesicherheit auch weitergehende Methoden notwendig werden (z. B. Populationsgefährdungsanalysen, Wirkungstests in Feldversuchen, s. Rassmus et al. 2003, Lambrecht et al. 2004).

Qualifizierung der Quelle: E


4. Relevanzschwelle

4.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Soweit die Bestände der Art bzw. ihre Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Relevanzschwelle grundsätzlich bei jeder negativ wirkenden Förderung oder Ausbreitung gebietsfremder Arten in einem (Teil-)Habitat überschritten.

Im Einzelfall können Veränderungen auch außerhalb des Gebietes relevant sein, sofern die betroffenen (Teil-) Habitate eine wesentliche funktionale Bedeutung für die Bestände der Art im Gebiet aufweisen.

Qualifizierung der Quelle: E



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Reports: aktueller Wirkfaktor   aktuelle Wirkfaktorengruppe   alle Wirkfaktoren
 

Qualifizierung der Quellen für Vogelarten

Averallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art
Bin der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall
Cin der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird
Din der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe
Eeigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung)
Fkeine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt

Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"

-bislang noch nicht bearbeitet
Iderzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden
IIzudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden
IIIzudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden
ihre meinung

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dirk.bernotat@bfn.de