Detaildaten zu Beinträchtigungen: Vogelarten

Ziegenmelker - Caprimulgus europaeus

Natura 2000-Code: A 224; Bearbeitungstand: III

Wirkfaktorengruppe: 4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust
Wirkfaktor: 4-3 Betriebsbedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust
Relevanz des Wirkfaktors:  regelmäßig relevant - besondere Intensität (3)

     Auswertekategorien:

  1. Empfindlichkeiten/Wirkungen (11)
  2. Regenerationsfähigkeit (0)
  3. Prognosemethoden (4)
  4. Relevanzschwelle (1)
  5. Erheblichkeitsschwelle (5)

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3. Prognosemethoden

3.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Bei der Wirkungsprognose sind die qualitativen und quantitativen Betroffenheiten der Art durch betriebsbedingte Mortalität und/oder Barrierewirkungen einzuschätzen. Dabei sind die Wirkintensität des Projekts und seiner Bestandteile und die Empfindlichkeit des betroffenen Raumes sowie der betroffenen Arten zu analysieren (s. nachfolgende Datensätze).

Es sind alle relevanten (Teil-)Habitate sowie die räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen Teilhabitaten mit den vom Projekt beanspruchten Flächen zu überlagern. Grundsätzlich ist insbesondere die Betroffenheit der räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilhabitaten einer Art auf Individuums- und/oder Bestandsniveau qualitativ und quantitativ einzuschätzen.

Es sind die quantitativen und qualitativen Funktionsverluste für die betroffenen Individuen bzw. (Teil-) Populationen zu beurteilen. Zudem ist die Beurteilung der vorhandenen Bestandsgrößen und eine Einschätzung der langfristigen Auswirkungen der Mortalität bzw. Barrierewirkungen auf die Bestände im Gebiet vorzunehmen (s. auch unter Erheblichkeit).

Im Einzelfall können auch Flächen außerhalb des Gebietes zu berücksichtigen sein, sofern die betroffenen (Teil-)Habitate eine wesentliche funktionale Bedeutung für die im Gebiet vorkommenden Bestände der Art aufweisen.

Eine Berücksichtigung etwaiger kumulativer Wirkungen additiver oder synergistischer Art durch andere Wirkfaktoren des Projekts/Plans oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten/Plänen ist notwendig.

Im Einzelfall können aus Gründen der Prognosesicherheit zur Beurteilung der Mortalität bzw. Barrierewirkung auch weitergehende Methoden notwendig werden (z. B. Populationsgefährdungsanalysen, s. Rassmus et al. 2003, Lambrecht et al. 2004).

Qualifizierung der Quelle: E



3.02 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Standardisierte Prognosemethoden zur Ermittlung der Mortalität von Vögeln bei den verschiedenen Verkehrsträgern konnten bislang nicht ermittelt werden. Nachfolgend sind jedoch die wesentlichen Grundaspekte zur Ermittlung des Mortalitätsrisikos dargestellt. Darüber hinaus finden sich qualifizierte Hinweise z. T. auch in den eingangs genannten Standardwerken.

Bei der Prognose kann zunächst allgemein aus dem Vorkommen von Vögeln auf die potenziellen Vogelverluste geschlossen werden. Bereiche mit hoher Brutvogeldichte oder hohem Vorkommen von Gast- bzw. Zugvögeln sind gegenüber projektbedingter Mortalität problematischer als Bereiche mit geringer Bedeutung für Vögel (z. B. Hoerschelmann 1997, Richarz 2001:124f.).

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden als allgemein kritische Gebiete z. B. Gewässer, Feuchtgebiete, Niederungen mit hohen Rastbeständen, Wiesenvogellebensräume, Koloniebereiche etc. genannt. Dies gilt auch für Konzentrationspunkte des Vogelzuges (zentrale Zugrouten, wichtige Zugschneisen) z. B. an Gebirgspässen, Küstenabschnitten, Flusstälern etc. und Standorte mit häufigen Wetterlagen, die zu schlechten Sichtverhältnissen führen (vgl. Hoerschelmann 1997, Lösekrug 1997, Richarz 2001:124f.). Für die Beurteilung der Bedeutung bzw. der Funktionen von Flächen für Vögel sind u. a. Landschaftsbeschaffenheit, Biotopeigenschaften, Nahrungsangebot, Brutplatzeignung, Rastgebietsfunktionen etc. zu berücksichtigen.

Natura 2000-Gebieten kommt eine besondere Bedeutung für Arten und Lebensgemeinschaften zu, wozu in der Regel auch Vögel bzw. Avizönosen zu zählen sind. Europäische Schutzgebiete, in denen Vogelarten nach den Erhaltungszielen geschützt sind, weisen somit immer eine besondere Bedeutung und i. d. R. eine besondere Sensibilität aus Sicht des Vogelschutzes auf. Vögel können hierbei als Arten der Vogelschutz-RL in einem Vogelschutzgebiet unmittelbar oder als charakteristische Arten bestimmter Lebensraumtypen in einem FFH-Gebiet mittelbar durch Erhaltungsziele oder den Schutzzweck geschützt sein.

Grundsätzlich ist somit zunächst immer auch die räumliche Entfernung des Projekts zum Schutzgebiet bzw. zu den verschiedenen (Teil-)Habitaten der geschützten Vogelarten zu ermitteln.

Qualifizierung der Quelle: E



3.03 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Belastungsfaktoren von Projekttypen bzw. räumlichen Konstellationen:

Das jeweilige Projekt ist hinsichtlich seiner spezifischen Wirkintensität bzw. seines Risikopotenzials anhand der jeweils relevanten Projektparameter zu beurteilen.

- Bei Straßen und Schienenwegen sind v. a. Verkehrsdichte/Verkehrsaufkommen, Verkehrsgeschwindigkeit, Trassierung, landschaftliche Situation, Lage im Raum und Trassenbegleitvegetation von Bedeutung.

- Bei Schienenwegen kommt noch die Ausgestaltung der Oberleitungen als maßgeblicher Parameter hinzu.

- Bei Flughäfen spielen v. a. die Lage im Raum, Biotoptypen auf dem Flughafengelände, landschaftliche Gegebenheiten im Umfeld und das Flugverkehrsaufkommen eine Rolle (vgl. auch den von Morgenroth 2003 entwickelten Index zur Berechnung der Flugsicherheitsrelevanz von Vogelarten).

Die nachfolgende Kurzcharakterisierung der relevanten Projektparameter basiert auf den Vorarbeiten von Bernotat (1997) bzw. Bernotat & Dierschke (2021):

1. Verkehrsdichte / Verkehrsaufkommen

Zahlreiche Untersuchungen stellen bei Straßen mit höherem Verkehrsaufkommen auch höhere Vogelverluste fest als bei Straßen mit geringem Verkehrsaufkommen (vgl. z. B. Hansen 1969, Oxley et al. 1974, Odzuck 1975, Heinrich 1978).

In der Regel steigt mit zunehmendem Verkehrsaufkommen die Wahrscheinlichkeit einer Kollision offenbar stärker an, als die durch regelmäßigeren Verkehrsfluss ermöglichten Lerneffekte (vgl. dagegen Bergmann 1974:13f.) oder die durch Lärmimmissionen bedingte Verdrängung (vgl. Wirkfaktor 5-2) eine Reduktion der Verlustrate bewirken können.

2. Verkehrsgeschwindigkeit

Viele Autoren weisen darauf hin, dass auch die Verkehrsgeschwindigkeit die Rate der Verkehrsopfer unter Vögeln beeinflusst (vgl. z. B. Martens 1962:221, Wäscher et al. 1988:51, Hammerich 1993:125ff., Roll 2004, Canal et al. 2019). Sehr schnell fahrende Fahrzeuge können von Vögeln offensichtlich nicht rechtzeitig wahrgenommen bzw. nicht richtig eingeschätzt werden, so dass es vermehrt zu Kollisionen kommt. Unklar ist derzeit noch, nach welcher Funktion die Gefährdung mit der Geschwindigkeit zunimmt und ob es gewisse Schwellenwerte gibt, ab denen stark vermehrte Verluste auftreten.

Wäscher et al. (1988:51) stellen eine deutliche Erhöhung der Verkehrsverluste bei Geschwindigkeiten über 40 km/h fest. Löhrl (1950:133) kommt zu dem Ergebnis, dass Goldammern bei Fahrzeuggeschwindigkeiten von 40-50 km/h oft noch entkommen können. Als Schwellenwert, ab dem die Gefahr für Vögel, von Autos erfasst zu werden, stark ansteigt, nennt Hodson (1960:224ff.) 55 km/h und Hammerich (1993:127) 50-60 km/h.

Roos (1978, zit. In Hammerich 1993:126) geht davon aus, dass die meisten Unfälle mit Vögeln bei einer Geschwindigkeit von 70-80 km/h passieren. Illner (1992b:94) kommt bei Untersuchungen an Eulen zu dem statistisch signifikanten Ergebnis, dass der kritische Wert für Schleiereule, Waldohreule und Waldkauz bei ca. 80 km/h, beim Steinkauz bei ca. 60 km/h liegt, da bei diesen Geschwindigkeiten bezogen auf einen Kilometer Straße um ein Vielfaches (21 mal) mehr Eulen getötet wurden als bei Straßen mit geringeren Geschwindigkeiten.

3. Trassierung

Die Gestaltung des Trassenprofils hat ebenfalls einen Einfluss auf die Verkehrsverluste. Bei höhengleicher Trassenführung und insbesondere bei Dammlage ereignen sich aufgrund der ungünstigeren, da niedrigeren, Überfluglinie mehr Kollisionen als bei Trassen, die im Einschnitt verlaufen (vgl. z. B. Löhrl 1950:135, Wäscher et al. 1988:47f., Institut für Naturschutz und Tierökologie 1977:103). Bereiche mit trassenbegleitenden Erdwällen oder Lärm¬schutz¬wänden weisen bezogen auf überfliegende Arten eine verringerte Unfallrate auf (Wäscher et al. 1988:48).

4. Landschaftliche Situation

Ein wesentlicher Faktor ist die an die Trasse angrenzende Gelände- und Vegetationsstruktur. Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Zahl der Verkehrsopfer unter Vögeln bei reich gegliederten Landschaften mit höheren Siedlungsdichten und bei geeigneten Brut- und Nahrungshabitaten im unmittelbaren Trassenrandbereich deutlich erhöht ist (z. B. Smettan 1988:43, Hammerich 1993:135ff., Steiof 1996:530, Morgenroth 2003).

5. Lage im Raum

Hinsichtlich der Lage im Raum und der Ausrichtung sind v. a. Anordnungen quer zu den (Haupt-)Flugbewegungen problematisch. Dazu können z. B. auch lineare Strukturen (wie Hecken, Säume, Waldschneisen, Gräben oder Bäche) oder Lebensraumgrenzen (z. B. Waldrand, Ufer) zählen, da sich Vögel in ihrem Flug- bzw. Wanderverhalten häufig an solchen 'Leitstrukturen' orientieren (z. B. Löhrl 1950:135, Reck & Kaule 1992:88, Hammerich 1993:136). Grundsätzlich kann es auch von Bedeutung sein, welchen relativen Anteil eine Trasse (z. B. Brücke) am Flugraum / -korridor (z. B. Talraum) einnimmt, da hierdurch die Möglichkeiten des seitlichen Ausweichens der Vögel mit beeinflusst werden können.

6. Trassenbegleitvegetation

Die Wirkungen von Trassebegleitgrün auf die Verkehrsopferrate von Vögeln sind sehr vielfältig. Einerseits weist eine strukturreiche Trassenbegleitvegetation höhere Siedlungsdichten und somit auch höhere Verkehrsverluste auf (vgl. z. B. Wäscher et al. 1988:53, Steiof 1996:530ff., Menz 2003), es liegt ein typischer Falleneffekt vor. Andererseits schützt ein deutlich strukturierter Horizontüberstand der straßenbegleitenden Gehölze offensichtlich Vögel vor dem Verkehrstod, indem die Überflughöhe gesteigert wird (Bay & Rodi 1990:93f., Menz 2003).

7. Gestaltung der Oberleitungen bei Schienenwegen

Die Oberleitungen an Bahnanlagen stellen einen maßgeblichen zusätzlichen Gefährdungsfaktor dar, der bei der Wirkungsprognose entsprechend zu berücksichtigen ist. Nähere Informationen hierzu finden sich unter den eingangs genannten Publikationen und unter dem Thema Freileitungen im Kontext anlagebedingter Mortalität (Wirkfaktor 4-2).

Qualifizierung der Quelle: E



3.04 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Empfindlichkeiten von Arten und räumlichen Konstellationen:

Grundsätzlich muss auch bei der betriebsbedingten Mortalität von artspezifischen Empfindlichkeiten ausgegangen werden, die aus unterschiedlichen Verhaltensweisen resultieren und die somit zu berücksichtigen sind. Dabei spielen v. a. folgende Parameter eine Rolle:
1. Mobilität und Flughöhe bei Trassenquerungen,
2. Flug- und Manövrierfähigkeiten,
3. Attraktions- bzw. Störwirkungen der Verkehrsflächen,
4. Artspezifisches Fluchtverhalten.

1. Mobilität und typische Flughöhe bei Trassenquerungen

Eine besondere Empfindlichkeit kann grundsätzlich jenen Vogelarten zugesprochen werden, die eine hohe Mobilität und große Aktionsradien aufweisen und obligatorisch auf verschiedene, i. d. R. räumlich getrennt liegende Teillebensräume angewiesen sind.

Für die Mortalität spielt das Flugverhalten eine zentrale Rolle. So ist z. B. von großer Bedeutung, inwieweit die (regelmäßigen) lokalen Flugbewegungen (z. B. Nahrungs-, Balz- oder Schlafplatzflüge) im Bereich der Trassen und zudem so niedrig stattfinden, dass sie von Fahrzeugen erfasst werden können.

Arten mit Lebensräumen in bodennahen Vegetationsschichten (Staudenfluren, Röhrichte, Gebüsche, Unterholz) sind vermutlich besonders durch Verkehrstod betroffen, da ihre Flugbahn bei einem Ortswechsel i. d. R. niedriger verläuft (Steiof 1996:528).

Bay & Rodi (1991:92ff.) konnten durch eine Kontrolle des Flugverhaltens von Vögeln (3.038 Individuen) beim Überqueren einer Bundesstraße nachweisen, dass die einzelnen Vogelarten ein durchaus unterschiedliches Überflugverhalten zeigen. Die Ergebnisse führten zu der naheliegenden Erkenntnis, dass Arten mit niedriger durchschnittlicher Überflughöhe häufiger Unfallopfer werden. Auch Hammerich (1993:62ff.) ermittelte im Rahmen seiner Untersuchung für die verschiedenen Vogelarten unterschiedliche Überflughöhen.

Kneitz & Oerter (1997) untersuchten das Verhalten von an Gewässern entlang fliegenden Vögeln an Brückenbauwerken und konnten dabei artspezifische Unterschiede dahingehend feststellen, ob die Brücken eher unter- oder überflogen werden, wobei bei letzterem ein entsprechendes Kollisionsrisiko auftreten kann (vgl. auch FGSV 2008:30).

Der Gefährdungsgrad erhöht sich zudem auch, wenn die Fortbewegung 'langsam und laufend' stattfindet. Dies ist z. B. bei allen Arten der Fall, die regelmäßig ihre Jungen zwischen Teilhabitaten führen (z. B. Enten, Kranich, Wiesenlimikolen wie Großer Brachvogel oder Kiebitz) oder grundsätzlich ungern fliegen (z. B. Rebhuhn, Wachtel, Wachtelkönig, Fasan).

Aufgrund typischer Bewegungsmuster ordnet Hammerich (1993:142f.) (im Hinblick auf Straßen) einigen Vogelarten verschiedenen Gefährdungskategorien zu. Diese Angaben sollten jedoch nicht zu eng interpretiert werden, da die Verhaltensweisen von Vögeln letztlich auch stark von den an die Straße grenzenden Vegetationsstrukturen abhängig sind und sich nicht für jede Art verallgemeinern lassen. Dennoch stellt dieser Ansatz ein gutes Beispiel dar, sich mit den artspezifischen Empfindlichkeiten von Vögeln gegenüber Straßenverkehrstod auseinanderzusetzen und kann daher für planerische Abwägungen wertvolle Hinweise liefern.

Für die Beurteilung der Kollisionswahrscheinlichkeit mit Flugzeugen können eher die im Bereich der anlagebedingten Mortalität zusammengestellten Quellen zur Flughöhe von Vogelarten herangezogen werden.

2. Flug- und Manövrierfähigkeiten

Neben der Flughöhe sind ggf. auch die Flug- und Manövrierfähigkeiten zu beurteilen. Rayner (1988, zit. In Bevanger 1998) analysiert die artspezifische Flügel-Flächenbelastung und die Flügelstreckung von Vögeln und unterteilt sechs Hauptgruppen hinsichtlich ihrer Manövrierfähigkeit, um damit Anhaltspunkte für deren Kollisionsrisiko ableiten zu können. Garthe & Hüppop (2004) haben im Rahmen ihres 'species sensitivity index' gegenüber Offshore-Windparks für verschiedene Seevogelarten die Manövrierfähigkeiten auf einer Skala von 1 bis 5 eingestuft.

3. Attraktions- bzw. Störwirkungen der Verkehrsflächen, artspezifische Verhaltensmuster

Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob es eine risikoerhöhende Attraktionswirkung der Trasse auf die Art gibt (z. B. durch typisches Nahrungsangebot, Ansitzwarten, Randbepflanzung etc.) bzw. inwieweit die artspezifische Empfindlichkeit gegen die vom Projekt ausgehenden Störwirkungen (vgl. Wirkfaktoren 5-1 bis 5-4) zwar zu Lebensraumverlusten führen, jedoch andererseits das Mortalitätsrisiko reduzieren.

Insbesondere Arten, die typischer Weise an Straßen/Schienenwegen oder in der begleitenden Randvegetation nach Nahrung suchen, werden nachgewiesenermaßen auch oft Verkehrsopfer. Daher kann für einige Arten von einem sog. 'Falleneffekt' gesprochen werden. Die Vögel werden durch die leichte Erreichbarkeit von Nahrung auf oder an die Trasse gelockt, wo der Fahrzeugverkehr ihnen dann jedoch zum Verhängnis wird (Reck & Kaule 1992:79). Sehr häufig an Straßen angetroffen werden folgende Gruppen:

Verwerter von Aas und verletzten Tieren:

Arten, wie z. B. Mäusebussard, Rotmilan, Uhu, Rabenkrähe, Kolkrabe, Elster, Lachmöwe oder Silbermöwe nutzen mehr oder weniger regelmäßig die an Straßen überfahrenen Tiere als Nahrungsquelle (vgl. Bergmann 1974:20, Tamm 1976:200f., Hammerich 1993:141, Ellenberg et al. 1981:99). Im Winter verstärkt sich die Attraktivität der Straßen (und auch Schienenwege) z. T. noch, da bei Schneelagen die Erreichbarkeit von Nagetieren in der freien Landschaft erschwert ist und die Vögel verstärkt Aas als Nahrungsgrundlage nutzen. Dementsprechend hoch ist z. B. die Zahl winterlicher Greifvogelopfer an Straßen (vgl. Bosch 1992:109ff.).

Seeadler werden vergleichsweise häufig Opfer des Bahnverkehrs. Langgemach & Sömmer (2001) geben für Bahnstrecken im Land Brandenburg 22 Funde von insgesamt 105 Verlusten an. In den meisten Fällen war ein Zusammenhang mit Unfallwild auf den Gleisen erkennbar, und nicht selten wurden dadurch mehrere Adler (sowie Bussarde und andere Vögel) gleichzeitig angezogen. Die Adler verunglückten überwiegend im Winterhalbjahr.

Kleinsäugerjäger:

In den durch extensive Pflege offen gehaltenen Böschungen von Straßen- oder Schienenwegen können sich stabile Mäusepopulationen halten, die für Greifvögel und Eulen gut erreichbar sind (Bourquin 1983:168, Van der Tempel 1993:10, Steiof 1996:528). Dies gilt besonders dann, wenn entlang der Straßen zusätzlich Ansitzwarten (z. B. Bäume oder Straßenpfähle) vorhanden sind. Durch diese enge Nachbarschaft geeigneter Nahrungshabitate zur Straße erhöht sich das Risiko von Verkehrsverlusten z. B. für Mäusebussard, Rotmilan, Turmfalke, Schleiereule, Waldohreule, Waldkauz, Steinkauz oder Uhu. Bei Schienenwegen kommt den Leitungen - insbesondere in ausgeräumten und strukturarmen Landschaften - ein Anziehungspotenzial als Ansitzwarten zu, was in gewissem Umfang eine Risiko erhöhende Fallenwirkung impliziert.

Insektenjäger:

Heinze (1990:6) geht davon aus, dass die Aufheizung der Asphaltdecke zu einer hohen Insektendichte im engeren Trassenbereich führt, die insektenfressende Kleinvögel anzuziehen vermag. Insbesondere bei ungünstigen Wetterlagen stellen Straßen daher z. B. für Schwalben und Mauersegler günstige Jagdreviere dar, die in niedrigem Flug abgeflogen werden. Weitere typische Arten sind beispielsweise Bachstelze, Haubenlerche, Hausrotschwanz, Grauschnäpper, Neuntöter, Steinkauz oder Ziegenmelker (vgl. Hammerich 1993:141, Bergmann 1974:10,17, Ellenberg et al. 1981:95ff.).

Vorwiegend herbivore Arten:

Das Aufsammeln von Samen (z. T. auch Magensteinen) im straßennahen Bereich (z. B. Bankett) wird Arten wie Haus- und Feldsperling, Hänfling, Grünfink, Stieglitz, Girlitz, Star, Haustaube, Türken- und Ringeltaube relativ häufig zum Verhängnis (vgl. z. B. Hammerich 1993:141f., Bergmann 1974:12).

Offenlandarten, Arten der Feuchtgebiete:

Bei Flughäfen sind es häufig die weiträumig offenen Grünlandflächen, die für das entsprechende Artenspektrum an Brut- und Gastvögeln eine hohe Anziehung aufweisen.

4. Artspezifisches Fluchtverhalten

Aufgrund artspezifischer Verhaltensmuster entweder gerichteten Ausweichverhaltens oder mehr oder weniger ungerichteten Fluchtverhaltens werden Vogelarten des erstgenannten Verhaltenstypus seltener Verkehrsopfer, als dies ihrer Häufigkeit an Straßen entspricht. Dazu zählen z. B. Rabenkrähe, Saatkrähe, Elster oder Bachstelze (vgl. z. B. Tamm 1976:200f., Steiof 1996:529, Hammerich 1993:143), die verhaltensbedingt im Einwirkungsbereich des Straßenverkehrs einer geringeren Gefährdung ausgesetzt sind. Den Rabenvögeln dürfte dank ihrer relativ hohen Intelligenz eine Einschätzung von Gefahrensituationen möglich sein. Bei der zweiten Gruppe eher ungerichtet flüchtender Arten muss von einer hohen Gefährdung gegenüber Straßenverkehrstod ausgegangen werden.

Bernotat & Dierschke (2021, Teil II.2) stufen das straßenverkehrsbedingte Kollisionsrisiko aller in Deutschland heimischen Brut- und Gastvogelarten auf einer fünfstufigen Skala von sehr gering bis sehr hoch ein.

Qualifizierung der Quelle: E


4. Relevanzschwelle

4.01 BearbeiterInnen FFH-VP-Info (siehe Impressum) (o. J.)

Soweit die Art und deren Habitate nach den gebietsspezifischen Erhaltungszielen zu bewahren oder zu entwickeln sind, wird die Relevanzschwelle grundsätzlich bei jeder Barrierewirkung zwischen Teilhabitaten im Gebiet überschritten. Gleiches gilt, soweit eine projektbedingt erhöhte Mortalität eintreten kann.

Innerhalb eines Schutzgebiets mit geschützten Vogelbeständen sind daher die Beeinträchtigungen durch Straßen, Schienenwege oder Flugplätze, die zu einer erhöhten Mortalität für die geschützten Arten führen können, prinzipiell immer relevant und auf ihre Erheblichkeit hin zu untersuchen.

Aufgrund der großräumig wirksamen Struktur von Straßen und Schienenwegen gilt dies häufig auch bezüglich der Zerschneidungswirkungen (Barriere und/oder Mortalität) zwischen dem Schutzgebiet und seiner Umgebung, wenn Hinweise auf dort vorkommende wesentliche Teillebensräume bzw. Teilbestände mit räumlich-funktionalen Beziehungen zum Gebiet vorliegen, sowie bei Zerschneidungswirkungen zwischen dem Schutzgebiet und anderen Schutzgebieten.

Für die Beurteilung einer etwaigen Betroffenheit von Beständen im Gebiet sind Mobilität und Aktionsradien der Art zu berücksichtigen. Dabei sind die verschiedenen räumlich-funktionalen Beziehungen zwischen Teilhabitaten zu unterscheiden.

Um eine erhebliche Beeinträchtigung durch ein Vorhaben mit der rechtlich gebotenen Sicherheit ausschließen zu können, sind i. d. R. die oberen Angaben zu Habitatgrößen bzw. (regelmäßigen) Flugbeziehungen heranzuziehen und auf die potenziell geeigneten Lebensräume im Untersuchungsgebiet zu übertragen. Vorhaben, die in größerem Abstand als diesem 'Aktionsradius' geplant sind, können i. d. R. zu keinen relevanten Zerschneidungswirkungen durch Mortalität oder Barriere führen.

Literaturangaben als Orientierungswerte für Flächenansprüche und Mobilität (z. B. zu Aktionsräumen, Reviergrößen, Nestabständen, Dichten etc.) sind separat unter 'Raumbedarf und Aktionsräume von Arten' zusammengestellt.

Qualifizierung der Quelle: E



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Reports: aktueller Wirkfaktor   aktuelle Wirkfaktorengruppe   alle Wirkfaktoren
 

Qualifizierung der Quellen für Vogelarten

Averallgemeinerbarer, in der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art
Bin der Literatur dokumentierter Nachweis für diese spezielle Art, aber möglicherweise Ausnahmefall
Cin der Literatur dokumentierter Nachweis für verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe, der als übertragbar eingestuft wird
Din der Literatur dokumentierter Hinweis für diese spezielle Art oder verwandte Arten bzw. andere Arten dieser Artengruppe
Eeigene Einschätzung oder Aussage Dritter, ohne in der Literatur dokumentierten Nachweis/Hinweis (Experteneinschätzung)
Fkeine Literatur verfügbar / Auswertung bzw. Einschätzung mit aktuellem Bearbeitungsstand noch nicht erfolgt

Legende: Bearbeitungsstand zum Bereich "Beeinträchtigungen"

-bislang noch nicht bearbeitet
Iderzeit nur Einschätzungen zur Relevanz der Wirkfaktoren vorhanden
IIzudem Detaildaten zur Auswertekategorie "1. Empfindlichkeiten/Wirkungen" vorhanden
IIIzudem Detaildaten zu den weiteren Auswertekategorien "2. bis 5." vorhanden
ihre meinung

Wenn Sie uns Hinweise auf weitere wissenschaftliche Quellen oder Anregungen zu FFH-VP-Info geben wollen, schreiben Sie eine kurze Notiz an:
dirk.bernotat@bfn.de