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Definition - Wirkfaktoren
3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren >> 3-3 Veränderung der hydrologischen / hydrodynamischen Verhältnisse
Veränderungen an den bedeutsamen wasserbezogenen Standortfaktoren wie (Grund-)Wasserstände, Druckverhältnisse, Fließrichtung, Strömungsverhältnisse, -geschwindigkeit, Überschwemmungs- und Tidenverhältnisse etc. Dies schließt entsprechende Veränderungen in Gewässern, im Bodenwasser und im Grundwasser, soweit dieses im Kontakt zur Oberfläche steht und Einfluss auf die Habitatverhältnisse hat, ein.Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren
3 Veränderung abiotischer Standortfaktoren >> 3-3 Veränderung der hydrologischen / hydrodynamischen Verhältnisse
Viele Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-RL sind von speziellen hydrologischen / hydrodynamischen Rahmenbedingungen abhängig und unter den Arten des Anhangs II sowie den relevanten Arten der VRL sind viele an Gewässer oder wasserabhängige Habitate gebunden. Insbesondere in aquatischen oder semiaquatischen Lebensräumen spielt der Wirkfaktor eine große Rolle. Als Lebensraumtypen unmittelbar auf eine Wasserstands- bzw. Überflutungsdynamik angewiesen sind u. a. mehrere Küstenlebensräume (z. B. Quellerwatt, 1310), offene Lebensraumtypen der Fließgewässer (z. B. Alpine Flüsse und ihre Ufervegetation, 3230; Schlammige Flussufer mit Vegetation der Verbände Chenopodion rubri und Bidention, 3270) sowie Auwälder (Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern, 91E0; Eichen-Ulmen-Eschen-Auenwälder am Ufer großer Flüsse, 91F0).Von einer natürlichen Auendynamik, die periodisch wasserführende Flutmulden gewährleistet, können u. a. auch Arten wie Gelbbauchunke (Bombina variegata) und Rotbauchunke (Bombina bombina) profitieren bzw. gebietsweise abhängig sein. In entsprechender Weise reagieren z. B. bestimmte Pflanzenarten, die grundwasserabhängige Lebensraumtypen charakterisieren, empfindlich auf Veränderungen im Bodenwasserhaushalt.
Veränderungen der hydrologischen / hydrodynamischen Verhältnisse in terrestrischen Lebensräumen sowie in Gewässern können erhebliche Auswirkungen auf die dortigen Zönosen haben, wie durch zahlreiche Arbeiten belegt ist. Dies gilt für Veränderungen der Grundwasserstände, der Wassermenge und Strömungsgeschwindigkeiten in Fließgewässern bis hin zur Häufigkeit, Stärke und Dauer von Hochwasserereignissen. Entsprechende Untersuchungen und Bewertungen liegen vor allem im Zusammenhang mit der Grundwasserentnahme, der Entwässerung von Mooren, der Nutzung von Wasserkraft sowie der Regulierung bzw. dem Ausbau größerer Fließgewässer vor (z. B. THIELE & WEISS 1976, SCHWARZ 1992, HÜGIN & HENRICHFREISE 1992, MANDERBACH & REICH 1995, GOEBEL 1996, HECKES et al. 1999, MCALLISTER et al. 2001, PLANUNGSBÜRO KOENZEN et al. 2009, HOCHSCHULE KARLSRUHE et al. 2009, MÖHRING et al. 2015). Hierbei bestehen teilweise starke Beziehungen zum Wirkfaktor 2-2. Auch Geschiebeführung und Erosions-/Sedimentationsprozesse in Gewässern sind zu berücksichtigen. Eine Reihe von Beispielen und Hinweisen findet sich bei RASSMUS et al. (2003). Zur Empfindlichkeit der terrestrischen und semiterrestrischen Lebensraumtypen gegenüber Grundwasserstandsveränderungen siehe auch die umfangreiche Dokumentation in der Datenbank.
Speziell für die aquatische Fauna fasst das BAYERISCHE STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (1999: 12) zusammen: "Im Ober- und Mittellauf von Fließgewässern ist der Gewässergrund das ökologisch bedeutendste Kompartiment. Für diesen Lebensraum wiederum sind die bodennahen Strömungsmuster der wichtigste artverteilende Faktor. Die bisher zu diesem Thema veröffentlichten Arbeiten und eine Reihe unveröffentlichter Studien belegen übereinstimmend, dass sohlennahe Strömungsbedingungen die Struktur und Funktion der am Gewässergrund lebenden Organismen prägen, deren Verteilung wiederum in hohem Grad den natürlichen Fischbestand bestimmt." Speziell mit der Frage von Strömungsgeschwindigkeiten befassten sich u. a. SCHMEDTJE (1995) bezüglich des Makrozoobenthos und z. B. ADAM & LEHMANN (2011) oder EBEL (2013) hinsichtlich des strömungsbedingten Fischverhaltens (Ethohydraulik) sowie STAHLBERG & PECKMANN (1986) bezüglich kritischer Größen bei Kleinfischarten. Aufbauend auf das Halbkugel-Verfahren können über Präferenzkurven Prognosen darüber erarbeitet werden, wie hoch die Individuenhäufigkeit einer bestimmten Art (z. B. Baetis rhodani) bei verschiedenen Strömungen in % ist (Beispiel aus DVWK 1998). Teilweise liegen hier bereits detaillierte Untersuchungen zur Strömungspräferenz von Arten an ausgewählten Gewässern in Deutschland vor, mit einer Zuordnung zu verschiedenen Strömungspräferenztypen von limnobiont bis rheobiont und indifferent (s. DVWK 1998:40 ff.). Die Arten zeigen auch entsprechende morphologische und verhaltensbiologische Anpassungen.
Wirkungsanalysen für Gewässer müssen neben den aquatischen Lebensgemeinschaften in jedem Fall aber auch Auswirkungen auf Ufer und Aue mit den entsprechenden Zönosen einschließen (DWA-M 612-1; 2012). Zur Prognose von Auswirkungen auf die aquatische Fauna liegen teilweise bereits Vorschläge für Verfahren und Modelle vor (z. B. Habitat-Prognose-Modell für Restwasserstrecken), auf die projektspezifisch ggf. zurückgegriffen werden kann; allerdings decken diese Verfahren bislang weder alle Aspekte/Lebensräume ab, noch sind sie in allen Fällen direkt auf die jeweilige Situation übertragbar. Mögliche Auswirkungen müssen zudem speziell für die Standort- bzw. Habitatansprüche der jeweiligen Lebensraumtypen, charakteristischen Arten bzw. direkt relevanten Arten nach FFH-RL u. VRL geprüft werden, was in bisherigen Verfahren/Modellen nicht primäres Ziel war. Referenzstandorte (bzw. -gewässerstrecken) können eine besondere Rolle spielen, v. a. für die Beurteilung langfristiger Auswirkungen (DWA-M 610; 2010).
Änderungen hydrologischer und hydrodynamischer Parameter können im aquatischen wie semiaquatischen oder terrestrischen Bereich komplexe Folgen haben. Ihre Prognosen sind in vielen Fällen mit hohem Aufwand verbunden und müssen sich teils auf langjährige Daten stützen. Bei geplanten Grundwasserentnahmen, insbesondere zur Wasserversorgung, sind für die Prognose der hydrologischen Veränderungen i. d. R. Berechnungen mit Grundwassermodellen, die ohnehin zur Beurteilung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen erstellt werden, erforderlich. In Abhängigkeit der konkret betroffenen hydrogeologischen Verhältnisse sowie der Eingangsdaten des Grundwassermodells lassen sich mit Grundwassermodellen die standörtlich bedeutsamen Veränderungen im Grundwasser ggf. relativ zuverlässig ermitteln. Entsprechendes gilt für Modelle, die z. B. das Abflussverhalten in Fließgewässern simulieren können (z. B. WOLF-SCHUMANN et al. 2012).
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