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Definition - Wirkfaktoren
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust >> 4-2 Anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
Barrierewirkungen sowie Individuenverluste und Mortalität, die auf Bauwerke oder anlagebezogene Bestandteile eines Vorhabens zurückzuführen sind.Die Tötung von Tieren resultiert regelmäßig aus einer Kollision mit baulichen Bestandteilen eines Vorhabens (z. B. tödlich endender Anflug von Vögeln an Freileitungen, Windenergieanlagen, Türmen/Sendemasten, Brücken/Tragseilen, Glasscheiben oder Zäunen) oder daraus, dass Tiere aus fallenartig wirkenden Anlagen (z. B. Gullies, Schächte, Becken) nicht mehr entkommen können und darin verenden.
Eine Barrierewirkung kann einerseits durch technische Bauwerke, andererseits aber auch durch veränderte standörtliche oder strukturelle Bedingungen (z. B. Dammlagen) hervorgerufen werden. Auch eine hohe anlagebedingte Mortalität führt letztlich zur Barrierewirkung. Zusätzlich können andere Faktoren (s. unter Wirkfaktorgruppe 5) zur Meidung bestimmter Bereiche führen und somit eine Barrierewirkung herbeiführen oder verstärken.
Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren
4 Barriere- oder Fallenwirkung / Individuenverlust >> 4-2 Anlagebedingte Barriere- oder Fallenwirkung / Mortalität
Barrieren- und Fallenwirkungen treten im terrestrischen wie aquatischen Bereich auf. Nicht nur bodengebundene Arten wie Amphibien oder Laufkäfer sind hiervon im terrestrischen Bereich betroffen, auch bei flugfähigen Arten liegt teilweise eine Relevanz vor (s. u.).Funktional können von Barrieren oder Fallen verschiedene Aspekte betroffen sein: Die Trennung zwischen verschiedenen Teillebensräumen (Laichhabitat und Jahreslebensraum bei Amphibien), die Trennung und damit Verkleinerung von vorher zusammenhängenden - aber nicht grundsätzlich verschiedene Funktionen ausübenden - Habitatteilen oder z. B. die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung und damit einer Neu- oder Rekolonisation anderer potenziell geeigneter Flächen.
Allgemein bekannt sind Barrieren und Fallenwirkung bezüglich der Amphibien. Hier stellen z. B. Bordsteine und Entwässerungselemente (wie Gullies) teils unüberwindbare Barrieren/Fallen dar, die - anlage- oder betriebsbedingt - eine erhebliche Mortalität mit sich bringen können (s. RATZEL 1993 u. a.). Entsprechendes gilt für technisch verbaute oder vollständig anthropogene Gewässer, z. B. Ausleitungsstrecken von Wasserkraftwerken oder Kanäle, die senkrechte Uferstrukturen aufweisen und hierdurch für bodengebundene Wirbellose, Amphibien oder Säugetiere zur Falle werden können. Zahlreiche Beispiele zur Barrierewirkung und Mortalität im Zusammenhang mit Verkehrswegen finden sich bei RECK & KAULE (1993) sowie RASSMUS et al. (2003).
Bei Vögeln stellt die Kollision an Bauwerken, z. B. an Windenergieanlagen, Energiefreileitungen, Schrägseilbrücken oder Glasfassaden, ein relevantes Problem dar, das teilweise in großem Umfang zu schwerwiegenden Verletzungen und Tod der Individuen führt. Zusammenstellungen zum Konfliktfeld WEA und Vögel/Fledermäuse finden sich z. B. in DÜRR & LANGGEMACH 2006, BRINKMANN et al. 2011, BACH et al. 2012, EUROPÄISCHE KOMMISSION 2014, RICHARZ 2014, HÖTKER et al. 2014, HURST et al. 2015, RODRIGUES et al. 2015 oder LAG-VSW 2007/2015; Zusammenstellungen bezüglich Energiefreileitungen z. B. bei HEIJNIS 1980, HAAS & MAHLER 1992, RICHARZ & HORMANN 1997, HOERSCHELMANN 1997, PRINSEN et al. 2011, BARRIENTOS et al. 2012, BERNSHAUSEN et al. 2014 oder FNN 2014 sowie generell bei den jeweiligen Arten). Vielfach können Barrieren, insbesondere in der Nacht, bei Nebel, starkem Regen oder Schneefall und bei panikartiger Flucht, nicht rechtzeitig erkannt werden. Vgl. auch vorhabentypübergreifende Auswertungen und Einschätzungen bei BERNOTAT & DIERSCHKE (2021).
Im aquatischen Bereich "unterbrechen Absperrbauwerke die lineare Durchgängigkeit der Fließgewässer, so dass eine ungehinderte Durchwanderbarkeit für aquatische Organismen nicht mehr gewährleistet ist. Dies führt gemeinsam mit anderen Faktoren wie der Gewässerverschmutzung bei einigen Arten zum Rückgang der Populationen (z. B. Lachs, Stör, Maifisch) bis hin zum Aussterben" (DVWK 1996: 1). Laichwanderungen können nicht nur bei ana- oder katadromen Wanderfischen, sondern auch bei anderen Arten mit ausgeprägter Laichwanderung - z. B. Bachforelle und Barbe - unterbrochen werden. Zudem verhindern Barrieren stromauf- oder stromabwärts gerichtete Ortsbewegungen zum genetischen Austausch, den Ausgleich ggf. unterschiedlicher Besiedlungsdichte oder die Wiederbesiedlung nach Katastrophenereignissen in bestimmten Abschnitten (s. auch BLESS 1990 für die Groppe). MELDGAARD et al. (2003) konnten am Beispiel der Äsche in dänischen Fließgewässern zeigen, dass Wehranlagen einen erheblichen Einfluss auf die genetische Variabilität von Populationen ausüben können. Als wahrscheinlichste Ursache wird in diesem Fall die Erschwerung oder Verhinderung einer aktiven Aufwärtswanderung durch die Wehranlagen bei gleichzeitig nur passiv möglicher Verdriftung abwärts eingestuft.
Neben den Fischen sind auch andere Organismengruppen betroffen, u. a. das Makrozoobenthos mit seiner Drift sowie aquatischer Aufwärtsbewegung (vgl. PECHLANER 1986 u. a.).
Dass Barrieren im Sonderfall auch positiv bewertet werden können, zeigt die Gefährdung autochthoner Krebspopulationen durch eingeschleppte und heute etablierte amerikanische Krebsarten, die einerseits durch Konkurrenzvorteil zur Verdrängung der heimischen Arten führen, andererseits Populationen durch die von ihnen übertragene Krebspest ausrotten können. Auch anthropogene Barrieren in Fließgewässern haben hier offensichtlich bislang dazu beigetragen, Vorkommen der einheimischen Arten zu erhalten. GROß (2003) fordert mit speziellem Bezug auf den Edelkrebs (Astacus astacus): "Zumindest bei bedeutenden Vorkommen sollte daher dem Schutz der heimischen Flusskrebse vor der im Allgemeinen zu unterstützenden Forderung nach linearer Durchgängigkeit der Fließgewässer Vorrang gegeben werden."
Bezüglich der anlagebedingten Barriere- oder Fallenwirkung und Mortalität liegen für einige Artengruppen bereits relativ gute Beurteilungsgrundlagen vor (z. B. verschiedene Länderleitfäden zur Planung von WEA oder vorhabentypübergreifend BERNOTAT & DIERSCHKE 2016). Im jeweiligen Projekt sind die Einzelfaktoren vor dem Hintergrund der Aktionsräume oder Wanderkorridore von Arten, ihren physischen Leistungsmerkmalen, Verhaltensweisen und vorhabentypspezifischen Empfindlichkeiten sowie der Habitatansprüche zu analysieren. Sofern eine Verträglichkeit nicht durch Einhaltung anerkannter Mindestabstände zu den Gefährdungsstrukturen gewährleistet werden kann, können zur Beurteilung der Auswirkungen der Mortalität aufwändige, detaillierte Studien (z. B. Populationsgefährdungsanalysen, Raumnutzungsanalysen) erforderlich werden. Bei Arten mit sehr geringen Bestandsgrößen kann ggf. bereits die Gefahr des Verlustes einzelner Individuen nicht mehr als unerheblich eingestuft werden.
Allerdings ist anzumerken, dass nach heutigem Stand vielfältige technische Möglichkeiten bestehen, um anlagebedingte Effekte zu mindern (z. B. GLANDT et al. 2003, DVWK 1996, HAAS & MAHLER 1992, RICHARZ & HORMANN 1997, BRINKMANN et al. 2011, BERNSHAUSEN et al. 2014 oder bei den jeweiligen Arten/Artengruppen). Eine Ausschöpfung der entsprechenden Möglichkeiten kann dazu führen, dass ein Vorhaben - z. B. ein Straßenbauprojekt - trotz Querung von Wanderkorridoren z. B. des Kammmolches keine erheblichen Beeinträchtigungen nach sich zieht. Technische Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung können insoweit auch als projektimmanente Maßnahmen betrachtet werden, die im Einzelfall eine FFH-Verträglichkeit herstellen.
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