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Definition - Wirkfaktoren
5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht)
Visuell wahrnehme Reize, z. B. durch Bewegung, Reflektionen, Veränderung der Strukturen (z. B. durch Bauwerke), die Störwirkungen bis hin zu Flucht- und Meidereaktionen auslösen können und die Habitatnutzung von Tieren im betroffenen Raum verändern. Dies schließt Störungen von Tieren ein, die unmittelbar auf die Anwesenheit von Menschen (z. B. als Feindschablone) zurückzuführen sind.Dieser Wirkfaktor tritt z. T. in Kombinationswirkung mit anderen Faktoren (vgl. v. a. Wirkfaktor 5-1) auf.
Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren
5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-2 Optische Reizauslöser / Bewegung (ohne Licht)
Bezüglich visuell wahrnehmbarer Reize wird hier zunächst zwischen den von Bauwerken oder anderen Vertikalstrukturen ausgehenden Effekten und Störungen durch menschliche Anwesenheit und Aktivitäten (auch ggf. mit Fahrzeugen) unterschieden. Zu licht- bzw. beleuchtungsbedingten Effekten s. Wirkfaktor 5-3. Auf die Störwirkung von Vertikalstrukturen wird nur kurz eingegangen. Sie können (Bauwerke, Gehölze) insbesondere bei Vogelarten offener Lebensräume - sowohl in den Rast- und Überwinterungs- wie in den Brutgebieten - zur Meidung von Flächen bzw. größeren Abständen zu solchen vertikalen Strukturen führen. Bei entsprechenden Arten wird auch von "Kulissenflüchtern" gesprochen, Beispiele sind u. a. Kiebitz und Schafstelze.Einen komplexen Themenbereich stellen die Störungen durch Anwesenheit und diverse Aktivitäten des Menschen dar. Hierbei ist vielfach nicht klar zwischen einzelnen Wirkfaktoren zu trennen. Insbesondere mit dem Wirkfaktor 5-1 (Akustische Reize) bestehen enge Verknüpfungen und zumindest Einzelschallereignisse sind meist mit menschlichen Aktivitäten verbunden. Dennoch spielen auch bloße Anwesenheit bzw. optische Reizauslöser eine sehr wichtige Rolle. KEMPF (1997) stellte z. B. im Rahmen einer Untersuchung zu den Auswirkungen seismischer Messungen auf Vögel im Wattenmeer fest, dass die von Booten ausgehende Störwirkung fast ausschließlich auf deren Präsenz beruhte, während Motorlärm und Knallgeräusche nur eine geringe Rolle spielten.
"Die zunehmende Freizeit und erhöhte individuelle Mobilität führt den Menschen - vielfach abseits der Wege - vermehrt in die Reste der Naturlandschaft und in die landwirtschaftlich genutzten Regionen. Störungen sind ein negativer Faktor der Habitatqualität [...] Bestimmte Tierarten werden geradezu aus der Landschaft "herausgestört" (GATTER 2000: 336). Neben Vögeln spielt dieser Faktor bei sensibleren Säugetierarten eine Rolle. So kann die touristische Erschließung und Nutzung von Waldgebieten z. B. zu störungsbedingten Lebensraumverlusten der Wildkatze (Felis sylvestris) führen (s. z. B. HERRMANN 1998).
NEHLS (1994) benennt mehrere Ebenen, in denen sich Störreize - hier für Vögel - auswirken können. Dies sind erstens direkte Reaktionen des Individuums (Flucht, Reduktion der Nahrungsaufnahme, Veränderung physiologischer Parameter), die dann zu veränderten Aktivitätsbudgets und Veränderungen in der Konstitution führen oder - um diesem zu entgehen - zu Ausweichreaktionen in andere Gebiete. Zweitens ergibt sich ein Verlust an Energie und an Zeit, die für Nahrungssuche oder andere wichtige Aktivitäten genutzt werden kann, und schließlich kann drittens ein Habitatverlust eintreten. S. a. STOCK et al. (1994) zum Störungsbegriff.
Belegt ist für etliche Vogelarten das gänzliche Verlassen von Gebieten aufgrund von Störungen (z. B. PUTZER 1983, BELL & AUSTIN 1985, KORSCHGEN et al. 1985, GERHARD 1994; s. auch KELLER 1995). Hiermit ist dann zu rechnen, wenn Gebiete flächenhaft und andauernd gestört werden - z. B. durch ständiges Befahren von Gewässern in deren Zentrum -, so dass die Nutzung durch die betroffenen Arten stark beeinträchtigt oder unmöglich wird (NEHLS & THIEL 1988). Abwanderung in andere Gebiete ist spätestens dann unumgänglich, wenn der durch ständige Fluchtreaktionen verursachte Energieverlust nicht mehr in einem ökonomisch tragbaren Verhältnis zum Energiegewinn in verbleibenden Fresszeiten führt. Die Kompensierbarkeit hängt dann vom Angebot nutzbarer Ausweichflächen ab. Fehlen solche, so kommen die betreffenden Störreize vorübergehendem oder permanentem Habitatverlust gleich (KELLER 1995). Aber schon vor ihrer völligen Vertreibung können Verteilung und Habitatnutzung von Arten so stark beeinflusst werden, dass die Aufenthaltsgebiete der Tiere kaum oder nicht mehr mit den besten Nahrungs-, Fortpflanzungs- oder Ruheplätzen übereinstimmen, sondern primär von Verteilung und Intensität der auftretenden Störreize bestimmt werden (vgl. KETZENBERG 1993, OWEN & BLACK 1990).
Inwieweit optische Reizauslöser relevant werden können, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Hierbei spielt zunächst die artspezifische Sensibilität eine Rolle. Darüber hinaus ist die konkrete Ausprägung des Störreizes entscheidend, die sich aus einigen Parametern, wie z. B. Größe, Art und Geschwindigkeit einer Person oder eines Objektes, bestimmt. Zudem "hängt die Reizwirksamkeit von der augenblicklichen Motivationslage des einzelnen Tieres, seinem Geschlecht und Fortpflanzungsstatus (z. B. Männchen oder Weibchen mit Jungen), vom Vorhandensein von Artgenossen, der Lebensraumstruktur oder Jahres- und Tageszeit ab" (GEORGII 2001: 37). Ebenfalls eine Rolle spielt, wie häufig ein bestimmter Reiz gleichartig auftritt, ob er mit Erfahrungswerten verbunden werden und ggf. auch in einem bestimmten Umfang zu Gewöhnungseffekten führen kann.
Die Literatur zur Störungsökologie von Vögeln und Säugetieren ist vielfältig und umfangreich. An dieser Stelle sei nur exemplarisch auf Studien zur Auswirkung von Luftsportaktivitäten v. a. im Alpenraum (z. B. SZEMKUS et al. 1998; ZEITLER 1995a, b; SCHNIDRIG-PETRIG & INGHOLD 1995), diverse Artikel im Störungsökologie-Band der Laufener Seminarbeiträge 1/2001 (ANL 2001) sowie den Leitfaden zum Schutz des Steinadlers in den Alpen (BRENDEL et al. 2001) hingewiesen; letzteres insbesondere wegen der praxisorientierten Bewertung unterschiedlicher Störpotenziale, differenziert nach bestimmten Aktivitäten (z. B. forstbetriebliche Maßnahmen, Flugsport, Naturbeobachtung), Räumen (Primär- bis Tertiärbereich um besetzte Horste) sowie besonders sensiblen Zeiträumen.
Fachlich valide Orientierungswerte zu Fluchtdistanzen von Vogelarten finden sich u. a. bei FLADE (1994) bzw. bei GASSNER et al. (2010: 191ff.). Ansätze zur Bewertung der Erheblichkeit von Störungen mit Hilfe planerischer Orientierungswerte zu Fluchtdistanzen finden sich bei BERNOTAT (2013).
Abschließend ist noch auf die Rolle der Jagd einzugehen. Von einigen Autoren wird betont, dass jagdliche Aktivitäten ursächlich für "schreckhafte Reaktionen" von Tieren auf menschliche Anwesenheit und Aktivitäten sind. "An der Furcht vor dem Menschen ist in vielen Fällen die Jagd in ausschlaggebender Weise beteiligt" (GEORGII 2001: 39). Auf dem aktuellen Kenntnisstand kann außerdem kein Zweifel daran bestehen, dass jagdliche Aktivitäten direkt negative, gebietsbezogene Auswirkungen auf Verhalten, Anzahl und Verteilung von Arten haben können. Insbesondere ist dies für Wasservögel belegt, bei denen sich speziell winterliche Störungen auch auf die Vitalität der betroffenen Individuen auswirken können (z. B. MEILE 1991, STOCK et al. 1994, MADSEN & FOX 1995). Gerade in den letzten Jahren wurden durch mehrere Studien die quantitativen Auswirkungen der Wasservogeljagd deutlich gemacht (vgl. z. B. GEIERSBERGER & ZACH 1997, LONCHAMPT & MICHELAT 2000).
Mögliche Beeinträchtigungen durch visuelle Reize oder durch Faktorenkomplexe, an denen solche beteiligt sind, erfordern i. d. R. eine umfangreiche und sehr differenzierte Behandlung im Rahmen der FFH-VP. Vermeidungs- oder Minderungsmaßnahmen können hierbei eine wesentliche Rolle spielen.
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