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Definition - Wirkfaktoren
5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-5 Mechanische Einwirkung (Wellenschlag, Tritt)
Jegliche Art von mechanisch-physikalischen Einwirkungen auf Lebensraumtypen und Habitate von Arten sowie auf Arten selbst, die zu einer Zerstörung der Pflanzendecke, Veränderungen der Habitatverhältnisse (auch durch z. B. Verdichtung des Bodens) oder zu einer unmittelbaren Störung von Arten bis hin zur Verletzung oder Abtötung von Individuen führen können.Erschütterungen bzw. Vibrationen werden unter Wirkfaktor 5-4 gefasst. Luftverwirbelungen, die bei Windenergieanlagen oder im Rahmen von Straßen-, Schienen- oder Flugverkehr zu Verletzungen oder Tötungen von Tieren führen, werden unter den Wirkfaktoren 4-2 bzw. 4-3 mit umfasst.
Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren
5 Nichtstoffliche Einwirkungen >> 5-5 Mechanische Einwirkung (Wellenschlag, Tritt)
Mechanische Einwirkungen auf Böden, Bodenfauna und Vegetation durch Trittbelastung (Mensch, Weidevieh), Bodenbewirtschaftungsmaßnahmen und Befahren werden in einigen Arbeiten behandelt, bis in die 1990er Jahre vorzugsweise hinsichtlich negativer Aspekte. Beispiele sind die Untersuchungen zur Beeinflussung der Regenwurmbesiedlung oder anderer Artengruppen vorwiegend im Bereich landwirtschaftlich genutzter Flächen (z. B. BOSTRÖM 1986, PIEARCE 1984, SÖCHTIG 1990). Weitere Arbeiten belegen die Degradation empfindlicher Lebensraumtypen aufgrund starker Trittbelastung durch Erholungssuchende z. B. für Halbtrockenrasen und Moorstandorte (s. OBERGFÖLL et al. 1984, PFADENHAUER 1987). PFADENHAUER (1987) schreibt in seiner Zusammenfassung: "Der Erholungsverkehr an Seen des Alpenvorlandes kann insbesondere in der Nähe der großen Ballungsgebiete zu erheblichen Schäden an der Ufervegetation führen. Am Beispiel von 51 oberschwäbischen Stillgewässern zeigt sich, dass die aus vegetationskundlicher Sicht besonders schutzwürdigen, aber sehr trittempfindlichen Zwischen- und Hochmoorufer schon bei niedriger Besucherfrequenz erheblich beeinträchtigt werden. Von den insgesamt rund 2 km dieses Ufertyps sind nahezu 40 % geschädigt."Hinweise auf eine erhebliche Beeinträchtigung durch Tritt liegen auch für bodenbrütenden Vogelarten wie z. B. Zwergseeschwalbe, Flussregenpfeifer, Flussuferläufer. Dies gilt z. T. auf für bestimmte Laufkäferarten an Kiesufern, wo bei intensivem Badebetrieb reduzierte Arten- und Individuenzahlen registriert wurden (z. B. BRÄUNICKE & TRAUTNER 2002).
Entsprechende Einflüsse einer zu intensiven mechanischen Belastung sind unzweifelhaft. Vor dem Hintergrund neuer Untersuchungen und der für einige Arten und Lebensraumtypen der FFH-Richtlinie bzw. relevante Arten der Vogelschutzrichtlinie zwingend erforderlichen Dynamik mit Störstellen (s. auch Ausführungen zu Wirkfaktor 2-2 ff.; z. B. LEDERBOGEN et al. 2001) ist jedoch bezüglich mechanischer Belastung eine differenzierte Betrachtung notwendig. Nicht jede mechanische Belastung ist als negativ einzustufen, auch nicht innerhalb der bislang als "besonders sensibel" eingestuften Lebensraumtypen. Insoweit kann eine zeitlich befristete oder wiederkehrende projektbedingte mechanische Belastung in bestimmten Fällen durchaus im Rahmen von Erhaltungszielen förderlich sein, z. B. für Laichgewässer der Gelbbauchunke oder die langfristige Sicherung eines günstigen Erhaltungszustandes in Heide-Ökosystemen. Deutlich ist insoweit zwischen Individuenverlusten in einer für die Population unerheblichen Größenordnung - bei gleichzeitiger Förderung der ausschlaggebenden Habitatbedingungen - und einer solchen zu trennen, die eine Population gefährden könnten (vgl. dazu auch LAMBRECHT et al. 2004, Kap. 3.8.10).
Bei Nutzung oder Pflegemaßnahmen ist zudem die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Zwar plädieren z. B. OPPERMANN & KRISMANN (2001) für besonders naturverträgliche Mähtechniken mit möglichst geringen Individuenverlusten. Soweit ein genauso günstiger Erhaltungszustand von relevanten Arten- und Lebensraumtypen aber offensichtlich ebenfalls durch andere, ggf. in der Durchführung weniger aufwändige (oder keine Anschaffung neuer Geräte bei Landwirten bedingende) Techniken erreicht werden kann, ist die o. g. Mähtechnik selbst als nachrangig einzustufen.
Anthropogen bedingter bzw. verstärkter Wellenschlag in Gewässern und an deren Ufern sowie die mechanische Belastung durch Erholungsverkehr (auch wasserseitig) an den Uferzonen kann ebenfalls zu Beeinträchtigungen führen.
Schiffs- und bootsinduzierter Wellenschlag ist als Problem der Ufersicherung bereits lange bekannt. So untersuchte die VERSUCHSANSTALT FÜR WASSERBAU, HYDROLOGIE UND GLAZIOLOGIE DER EIDGENÖSSISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE & BASLER + HOFMANN, INGENIEURE UND PLANER AG (1985) den entsprechenden Wellenschlag am Thurgauer Hochrhein speziell in Bezug auf die Ufererosion. Dabei wurden schiffsinduzierte Wellenhöhen am Ufer von bis zu 70 cm mit einem speziell schädigenden Sunk- und Schwalleffekt festgestellt. Kleinere Boote erzeugten Wellen bis zu 30 cm Höhe am Ufer; die schädigende Wirkung war hier weniger auf die Wellenhöhe als auf Häufigkeit und Vibrationswirkung auf das feine Ufersubstrat zurückzuführen. Als wichtigste der erforderlichen Maßnahmen, mit denen der anthropogenen Ufererosion entgegengewirkt werden muss, führen die Autoren der Studie die Verringerung der Fahrtgeschwindigkeiten an. Bei entsprechenden Bewertungen ist die Abweichung von einer natürlichen Wellendynamik am betreffenden Gewässer zu berücksichtigen; in vielen Gewässern gehört Ufererosion zu den natürlichen - an Seen z. B. durch windinduzierten Wellenschlag - und für spezifische Uferlebensräume und ihre Zönosen prägenden Prozessen. Besonders kritische Situationen scheinen sehr große, schiffbare Gewässer, Engstellen (z. B. am Bodensee) und Bäche oder Flüsse mit starkem Erholungsbetrieb (s. u.) zu sein. In einer Untersuchung der seewärtigen Schilffront am Bodensee-Untersee im Vergleich des Zustandes 1994 zum Zeitraum 1981-1983 kommen PIER & SCHMIEDER (1997) zu dem Ergebnis, dass nur in Uferbereichen des Seerheins und des Buchgrabens (Reichenau) - also an deutlichen Engstellen - eine auf Bootsverkehr zurückzuführende Erosion der Schilfbestände mit Kliffbildung zu beobachten war. "An der übrigen untersuchten seewärtigen Schilffront konnten direkte Schäden durch Freizeit- oder Linienschifffahrt nicht festgestellt werden" (PIER & SCHMIEDER 1997: 58). Diese Situation kann an anderen Gewässern jedoch unterschiedlich sein.
Spezifische Wirkungen auf Arten sind vor allem bei solchen denkbar, die submerse oder Verlandungsvegetation der Gewässerufer besiedeln oder am Ufer schlüpfen und hierbei gegenüber mechanischen Einwirkungen besonders empfindlich sind. Zur letztgenannten Gruppe gehören Libellen, zu denen einzelne Untersuchungen und Einschätzungen bezüglich einer Betroffenheit vorliegen (z. B. SCHORR 2000, SCHMIDT 1995, 1996). Am Beispiel der Gemeinen Keiljungfer (Gomphus vulgatissimus) wird dies in STERNBERG & BUCHWALD (2000: 325) wie folgt dargestellt: "Ein nicht zu unterschätzendes Gefährdungspotenzial geht auch von der wachsenden Freizeitnutzung der Still- und Fließgewässer aus [...]. Lagernde und badende Personen sowie Angler gefährden die in den Sandbänken der Flachwasserzonen lebenden Larven und schlüpfenden Imagines am Ufer durch Vertritt. Die negativen Auswirkungen durch starken Paddelboot- und Kanuverkehr wurden an der Jagst untersucht. [...] Neben den Schäden, die beim Beladen der Kanus sowie beim Ein- und Ausbooten entstehen, gefährden die auch bei niedrigen Wasserständen fahrenden Kanus die Larvalhabitate auch dadurch, dass sie über den Boden schrammen, Larven verletzen sowie Sediment und Larven aufwirbeln. [...] An großen Flüssen, wie z. B. Main und Hochrhein, schädigen Wellen vorbeifahrender Motorboote schlüpfende Tiere." Von den Autoren wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass hierdurch die Populationsgröße abgesenkt und Teilpopulationen erheblich beeinträchtigt werden können, jedoch bei gutem Bestand auf großen Flussabschnitten keine nachhaltigen Effekte eintreten dürften, da auch Hochwassersituationen und Witterungsgeschehen während des Schlüpfens die anthropogenen Einflüsse "in der Regel überlagern".
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