Auswahl: Wirkfaktoren


Wirkfaktorengruppe

Definition - Wirkfaktoren

6 Stoffliche Einwirkungen >> 6-1 Stickstoff- u. Phosphatverbindungen / Nährstoffeintrag

Eintrag sämtlicher eutrophierend wirkender Stoffe, vor allem Stickstoff und Phosphat, in Lebensräume bzw. in Habitate der Arten, die Änderungen in der Nährstoffversorgung bedingen und Veränderungen insbesondere im Vorkommen bestimmter Pflanzenarten bzw. in der Artenzusammensetzung herbeiführen oder Pflanzen und Tiere unmittelbar schädigen können.

Zu den relevanten Stickstoffverbindungen zählen z. B. Stickoxide, Distickstoffoxid, Ammoniak. Zu den Stoffen, die zu Nährstoffeintrag führen können, zählen neben gezielten Düngungsmaßnahmen, wassergebundenen Nährstoffen oder luftbürtigen Emissionen auch Abfälle (z. B. von Nahrungsmitteln), die bei Projekten relativ diffus bzw. unkontrolliert bei deren Betrieb oder Nutzung entstehen können.

Vertiefende Ausführungen - Wirkfaktoren

6 Stoffliche Einwirkungen >> 6-1 Stickstoff- u. Phosphatverbindungen / Nährstoffeintrag

Nährstoffeinträge zählen heute zu den wesentlichsten Problemen des Arten- und Biotopschutzes, wobei die Stickstoffdepositionen eine große Rolle spielen (s. a. ELLENBERG 1989, BMVBS 2013). "Derzeit betragen die Stickstoffeinträge in Deutschland zwischen 7-30 kg/ha a (Freiland) und 8-60 kg/ha a (Wald) und entsprechen damit dem 6-10fachen des natürlichen atmogenen Stickstoffeintrags. Die Stickstoffemissionen haben großen Anteil an den "neuartigen Waldschäden" und der zunehmenden Bodenversauerung. Durch Eutrophierung, Nährstoffkonkurrenz, physiologische Einflüsse und Bodenversauerung kommt es zu Auswirkungen auf das Artenspektrum und die Populationsdichten bei Bodentieren und Pflanzen sowie zu Biotopveränderungen (Eutrophierung von Magerstandorten wie Heiden und Hochmooren, Verdrängung von Waldgesellschaften u. ä.)" (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 1997, vgl. auch aktuellen UBA-Datensatz zur Hintergrundbelastung in Deutschland).

Regional werden vielfach die "critical loads" für Ökosysteme durch die aktuelle "Hintergrundbelastung" deutlich überschritten. Hierbei sind in großem Umfang auch Lebensraumtypen des Anhangs I FFH-RL betroffen, insbesondere nährstoffarme Typen wie z. B. Kalk-Halbtrockenrasen, Heiden und Moore. Hier führen die atmogenen Nährstoffeinträge konkret zu einem starken Rückgang der Vielfalt und Häufigkeit charakteristischer Arten bzw. zu einer starken Dominanz weniger Arten wie Brachypodium pinnatum auf Halbtrockenrasen (z. B. BOBBINK et al. 1988, 1989; TOOREN et al. 1990).

Veränderungen in den terrestrischen Biotopen - z. B. Erhöhung der Sukzessionsgeschwindigkeit, Veränderung der Habitatstruktur, Ausfall besonders empfindlicher Pflanzenarten - können in bestimmten Fällen auch Beeinträchtigungen von Arten des Anhangs II der FFH-RL oder von relevanten Vogelarten der VRL durch eine Verschlechterung der artspezifischen Habitateignung hervorrufen, vgl. z. B. Hinweise von GATTER (2000: 317 ff.) für mehrere Vogelarten.

Auch im marinen wie im limnischen Bereich spielen Eutrophierungen eine starke negative Rolle. "Als eine der auffälligsten Veränderungen im System Wattenmeer in Folge der Eutrophierung wird das Auftreten von Massenentwicklungen benthischer Grünalgen in Form von flächendeckenden Matten seit 1989 gedeutet (REISE et al. 1994)" (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 1997: 79).

Differenzierte gewässerspezifische Qualitätskomponenten bzw. Beurteilungswerte sind auch in den Anhängen der Oberflächengewässerverordnung (OGewV, Stand 20.06.2016) genannt. Diese werden u. a. zur Einstufung des ökologischen Zustands, des ökologischen Potenzials und des chemischen Zustands von Gewässern herangezogen.

In Binnengewässern sind Veränderungen und Gefährdungen bei zahlreichen Artengruppen belegt. Hier sei nur beispielhaft NAGEL (2002) zitiert, der zu Flussmuscheln u. a. ausführt: "Durch Eutrophierung besonders gefährdet ist die Flussperlmuschel. Sie ist als erwachsenes Tier in hohem Maße an nährstoffarme Verhältnisse angepasst. Steigt der Nährstoffgehalt, so wachsen Perlmuscheln schneller, doch führt das zu einer kürzeren Lebensdauer und zu einer geringeren Reproduktionsrate. Ebenso nimmt bei erhöhten Nährstoffgehalten die Sterblichkeit der Tiere in allen Altersklassen zu. Eutrophierung zerstört gleichzeitig den Lebensraum der Jungtiere, indem organische Substanzen die Lückenräume verstopfen (BUDDENSIEK et al. 1993). [...] Nach einer Modellrechnung führen Nitratgehalte von über 5 mg/l bei der Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera) bereits zu einer deutlichen Erhöhung der Mortalität älterer Tiere." Bei der verwandten Bachmuschel (Unio crassus) scheint ein kritischer Wert bei rund 10 mg/ NO3 zu liegen (z. B. HOCHWALD 1997).

Für die Bewertung möglicher Beeinträchtigungen im Rahmen von Projekten oder Plänen sind i. d. R. räumlich differenzierte Eintragsberechnungen bzw. -modelle unter Berücksichtigung der bestehenden Vorbelastung sowie der Kumulation heranzuziehen.

Dabei kann nicht auf die pauschalen und auf den Menschen abstellenden Luftkonzentrationswerte z. B. der TA Luft oder der 39. BImSchV zurückgegriffen werden. Maßgeblich ist vielmehr das im Rahmen der UN-ECE-Luftreinhaltekonvention entwickelte Konzept der Critical Loads. Im Rahmen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen hat sich zur Bewertung der Empfindlichkeit von Vegetationsbeständen gegenüber Nährstoffeinträgen der Maßstab der Critical Loads fachlich etabliert. Alle relevanten methodischen Fragen dazu sind im sogenannten H PSE-Leitfaden behandelt (Hinweise zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen) (FGSV 2019).

Differenzierte Ausführungen zu den Auswirkungen von Nährstoffeinträgen auf Biotop- bzw. Lebensraumtypen sowie Hinweise für die Planung finden sich z. B. bei: LUA BRANDENBURG (2008), UHL et al. (2008/2009), KIfL (2007/2008), VAN DOBBEN & VAN HINSBERG (2008), BOBBINK et al. (2010a), BEALEY et al. (2011), HICKS et al. (2011), BOBBINK & HETTELINGH (2011), LAI (2012), VAN DOBBEN et al. (2013), BMVBS (2013), BALLA et al. (2014) oder FGSV (2019).
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